Gedanken zur Herbstvollversammlung

Post aus Fulda - Tag 1

Vier Tage lang kommen in Fulda die Deutschen Bischöfe zu ihrer traditionellen Herbstvollversammlung zusammen. Vier Tage voller abwechslungsreicher Themen. Vier Tage für domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen und seine Post aus der Bischofsstadt.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker

Die Sonne lacht über dem Tagungsort Fulda, das gehört aber nicht unbedingt zur Tradition. Seit 1876 treffen sich hier - ein wenig abseits der großen Metropolen - regelmäßig die Deutschen Bischöfe, um über den Weg der katholischen Kirche in ihrem Land zu beraten. Während man sich im Frühjahr zur Vollversammlung in schöner Regelmäßigkeit durch die verschiedenen Diözesen tagt, steht das Treffen am Grab des Heiligen Bonifatius immer im Frühherbst an. Dieses Mal sind die Bischöfe spät dran, weil der Besuch des Heiligen Vaters dazwischen kam. Doch die jüngste Reise von Papst Benedikt XVI. nach Berlin, Erfurt, Etzelsbach und Freiburg dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass den Bischöfen der Gesprächsstoff hier auf keinen Fall ausgeht.



So gibt es in diesem Jahr erstmalig kein Eröffnungsreferat des Ersten Vorsitzenden. Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch hat gerade wegen der vielen aktuellen Papstreden eigens darauf "verzichtet". Einige "Mitbrüder im bischöflichen Amt" dürfte der Verzicht nicht sonderlich schwer fallen, immerhin klingeln bei vielen noch die eigentlich klaren päpstlichen Worte mit Nachhall im Ohr. Die gelte es jetzt sorgfältig zu analysieren und auszuwerten, betont Bischof Zollitsch in seiner ersten Pressekonferenz noch vor Beginn der bischöflichen Versammlung. Ein ARD-Kollege will keck wissen, wie nahe denn der Papst mit seinen Predigten und Ansprachen beim Volke sei, wenn die Experten Bischöfe jetzt erst die Reden sorgsam analysieren müssten? Während Zollitsch schmunzelnd und rhetorisch korrekt die Nähe des Papstes zum Kirchenvolk wieder herstellt, stärken sich die anderen Bischöfe schon mal im großen Speisesaal mit Kaffee und Kuchen. Kaffee kann nie verkehrt sein, immerhin gilt es eine lange Tagesordnung zu überstehen. Alle bischöflichen Kommissionen müssen turnusgemäß neu oder wiederbesetzt werden - ob die Kommission für Weltkirche, caritative Fragen oder für Ehe und Familie. Personalia sind eigentlich das Salz in jeder Suppe, aber die wichtigsten Wegweiser dürfte das Sekretariat der DBK unter der Regie von Pater Langendöfer (SJ) bereits im Vorfeld ausgeklügelt und aufgestellt haben.



Bevor die Bischöfe sich unter dem großen Kreuz im Sitzungssaal aber anfangen können, darf für fünf Minuten noch einmal kurz die Pressemeute einfallen. Die Medienprofis unter den schwarzen Klerikern wissen sich in Szene zu setzten und grüßen freundlich in die Runde. Anderen Bischöfen scheint der ganze Presserummel eher ein wenig befremdlich und eigentlich überflüssig. Als ich einem Weihbischof in den hinteren Reihen bekenne, ich würde hier gerne mal "Mäuschen spielen", verrät der mir, den aufpuschenden Kaffee an seinen Platz jonglierend: "Sie glauben gar nicht, wie langweilig das bisweilen hier auch sein kann!" Langweilig? Na ja, zumindest hier hinten auf den billigen Plätzen - wo die Weihbischöfe nach Dienstalter aufgereiht werden und in der Regel offiziell auch nicht ganz so viel zu melden haben. Ein wenig langweilig kann es aber vielleicht selbst für die vorderen Platzhirsche mit mehr Redezeit werden. Hat nicht Erzbischof Zollitsch eben in seinem Pressestatement nicht wieder einmal erklärt, man werde auch über das neue Gesangs- und Gebetbuch weiter beraten? Das ist ein beliebtes Dauerthema, bei dem selbst kirchenerprobte Journalisten das Gähnen kaum noch unterdrücken können. Während in der modernen Finanzwirtschaft Milliardenpakete im Sekundentakt durch die digitale Internetwelt geschickt werden, dauert die Auswahl des geeigneten Kirchenliedgutes jetzt schon ein paar Jährchen. Gut Ding will bekanntlich Weile haben. Aber dafür wird das neue "Gotteslob" dann bestimmt auch besonders gut und auf jeden Fall ein sehr langes Mindesthaltbarkeitsdatum erhalten!  



Auch die zahlreichen anti-alkoholischen Kaltgetränke, die vor dem Sitzungsraum bereitstehen, sind mindestens so haltbar wie die Rituale und die Routine, mit der die katholische Kirche hier diese Vollversammlung anlaufen lässt. Lächelnd schließt der routinierte Pressesprecher Matthias Kopp jetzt die großen zweiflügeligen weißen Konferenztüren und schmunzelt: "Extra omnes!" Alle hinaus, die hier nicht hineingehören - auch wenn dies kein Konklave ist und kein neuer Papst gewählt wird. Beim Rausgehen studiert der ein oder andere Journalist noch die Plastikschilder, die vor den Zimmertüren im Priesterseminar aufgesteckt worden sind und verraten, wer hier wo die nächsten vier Tage übernachten muss. Eine Rangordnung ist schwer auszumachen - nächtigt doch der Münchner Kardinal Marx zwei Türen neben dem "Putzraum". Auch ein Schild mit dem Hinweis "Damentoilette" fällt angesichts der ausschließlich männlichen Besetzungsliste in das Blickfeld. Ganz unten im Seminarflur erinnert ein Gruppenfoto aus dem Jahr 1992 an "125 Jahre Deutsche Bischofskonferenz in Fulda". Gut in der Mitte positioniert an der Seite des damaligen Vorsitzenden Kardinal Lehmann überstrahlt alle der frühere Erzbischof von Fulda, Johannes Dyba. Nach seinem Tod hat man direkt neben Dom die alte "Kastanienallee" umbenannt. Ein Straßenschild "Johannes-Dyba-Allee" glänzt jetzt in der späten Herbstsonne in Fulda und signalisiert, dass auch in Fulda die Zeit nie stehen bleibt. Nicht einmal dann, wenn sich hinter den dicken Kirchenmauern die Deutschen Bischöfe sich versammeln...