Zollitsch: Papstbesuch geht über vordergründige Deutung hinaus

Ein "vertiefter, ganzheitlicher Ansatz"

Der Papstbesuch in Deutschland geht nach den Worten von Erzbischof Robert Zollitsch weit über vordergründige politische Deutungen hinaus. Benedikt XVI. sei es ganz elementar um den christlichen Glauben als Antwort auf die existenziellen Fragen des Menschen gegangen.

 (DR)

Stellvertretend dankte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dem anwesenden Bundespräsidenten Christian Wulff für den herzlichen Empfang des Papstes bei seinem am Sonntag zu Ende gegangenen viertägigen Deutschlandbesuch. In einem ersten Resümee würdigte Zollitsch die Rede des Papstes vor dem Bundestag. Das Kirchenoberhaupt habe für einen "vertieften, ganzheitlichen Ansatz des politischen Denkens und der politischen Arbeit" geworben, urteilte Zollitsch am Mittwochabend beim Michaelsempfang des Katholischen Büros in Berlin.



Dabei habe er die Merkmale "einer humanen, im besten Sinn des Wortes natur- und vernunftrechtlich vertretbaren Politik" genannt: den "Respekt vor dem Menschen, eine integrale Sicht der Natur und das Eingeständnis der Grenzen, die der Politik und dem Mehrheitsprinzip gesetzt sind".



Mit Blick auf das Ökumene-Treffen im Erfurter Augustinerkloster sagte Zollitsch: "Manche haben Gefühle der Enttäuschung darüber geäußert, dass Papst Benedikt keine konkreteren Schritte ökumenischer Verständigung vorgeschlagen hat." Vielleicht missverstehe man die Geste, die ein solches Treffen darstelle, "wenn man es - in der Logik politischer Prozesse - auf handhabbare Ergebnisse hin befragt", so der Freiburger Erzbischof. Den Schlüssel für weitere ökumenische Gespräche habe Benedikt aber durch sein Bestehen darauf gegeben, "dass für das gemeinsame Leben aller Christen der Glaube die erste Priorität haben muss". Das Treffen sei "an sich schon bedeutsam", so Zollitsch weiter. "Stellen Sie sich das einmal vor: Der Papst geht an den Ort, an dem Martin Luther gelebt hat. Wer hätte sich diese Symbolkraft vor 10 oder 20 Jahren vorstellen können?" Der Freiburger Erzbischof fügte hinzu: "Schon die Begegnung und der Ort werden die Ökumene voranbringen." Wie das konkret aussehen könne, werde sich zeigen: "Ich plädiere dafür, nicht zu viel zu spekulieren, sondern Papst Benedikt selbst zu Wort kommen zu lassen."



Zugleich wandte sich der DBK-Vorsitzende gegen Kritik auf evangelischer Seite, Benedikt XVI. vernachlässige das Gespräch mit den Protestanten. "Die These ist falsch", betonte er. In den vergangenen Jahren sei viel geschehen. "Der Heilige Vater selbst hat ja gerade das Gegenteil dessen aufgezeigt, was behauptet wird: Er hat das ökumenische Gespräch bei dieser Reise deutlich höher eingeordnet, als zunächst angedacht war. Er hat mehr Zeit für das Treffen mit der evangelischen Kirche eingeplant."



Eine Mahnung

Zur Freiburger Konzerthaus-Rede betonte Zollitsch, dem Papst sei es um die Mahnung gegangen, sich auf das Zeugnis des Glaubens in der Welt von heute zu konzentrieren. Vielleicht habe Benedikt XVI. "gerade uns Deutschen, die gerne organisieren, strukturieren und reformieren", nochmals einschärfen wollen: "Lasst euch vom Geist des Evangeliums leiten; Strukturen sind nur Mittel und niemals Zweck kirchlichen Handelns".



Zu Mutmaßungen, der Papst strebe eine Änderung des bisherigen Gefüges der Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Deutschland an, erklärte Zollitsch wörtlich: "Mir scheint es eher abwegig zu sein, den Papst für all das in Anspruch zu nehmen." Benedikt XVI. habe mehrfach die Kirche und alle Christen ermutigt, die Gesellschaft im Geist Jesu Christi zu prägen "und sich so mitten hinein in die Fragen und Sorgen der Menschen von heute zu begeben".