Ein Brief an alle Gemeinden als Startsignal

Bischöfe wollen den Neubeginn

Ein Dreivierteljahr nach dem Ausbruch der Vertrauenskrise der Kirche haben sich die Bischöfe nun zu einem Neuanfang entschlossen. In einem Brief an alle Pfarrgemeinden in Deutschland wollen sie Ende November den vielfach verunsicherten Gläubigen erklären, wie sie die Lage der Kirche nach dem Missbrauchsskandal sehen und wie es nun weitergehen soll. Ein Kommentar von Ludwig Ring-Eifel, KNA-Chefredakteur.

Fulda: Starkes Interesse der Presse (DR)
Fulda: Starkes Interesse der Presse / ( DR )

In dem Schreiben wollen die Bischöfe die Gläubigen einladen, sich an einem zweijährigen Dialogprozess zu beteiligen, der im Jahr 2012, genau 50 Jahre nach Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, in eine neue, zeitgemäße Standortbestimmung der Kirche münden soll.



Wie der "offene Dialogprozess" aussehen soll, den der Bischofskonferenz-Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, in Fulda ausrief, ist noch weitgehend unklar. Deutlich ist bislang nur, dass die Laien, und insbesondere das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) dabei als Dialogpartner eine Schlüsselrolle spielen sollen. Der Sekretär der Konferenz, Pater Hans Langendörfer, wies jedoch darauf hin, dass der Prozess keineswegs auf eine innerkirchliche Debatte beschränkt bleiben dürfe. Es gehe darum, mit der sich rasant verändernden Gesellschaft insgesamt wieder in einen Dialog zu kommen.



Ein zentrale Sorge der Bischöfe ist es, so viel wurde bei der ungewöhnlichen Herbstvollversammlung deutlich, in einer zunehmend kirchenfernen Gesellschaft nicht in die Rolle einer sektiererhaften Sondergruppe zu geraten. Immer wieder warnten einzelne Bischöfe davor, die Kirche dürfe ihr Heil nicht darin suchen, dass sie sich dialogunfähig in einer Wagenburg verschanzt und dort ihre reine Lehre und schöne Liturgien pflegt. Am deutlichsten brachte dies der Magdeburger Bischof Gerhard Feige in seiner Abschlusspredigt zum Ausdruck. Er stellte die derzeitige Vertrauens- und Glaubenskrise in den großen historischen Zusammenhang der Veränderung Deutschlands 20 Jahre nach der Vereinigung. Denn die hat ganz Deutschland, zusätzlich zur Globalisierung und zur Internetrevolution, einen dramatischen Modernisierungs- und Säkularisierungsschub beschert, dessen Konsequenzen für die Kirche erst jetzt deutlich sichtbar werden.



Feiges Beschreibung der innerkirchlichen Fronten unter den neuen Rahmenbedingungen war schonungslos: "Viele beanspruchen rigoros, im Recht zu sein. Fronten verhärten sich. Den einen ist man zu links, den anderen zu rechts. (...) Auch boshafte Unterstellungen und ehrenrührige Verdächtigungen sind darunter (...) Sind das nicht genau die engstirnigen Methoden dieser Welt, die wir Christen meiden sollten?"



Dass Druck von außen, der Umgang mit einer unübersichtlich gewordenen Medienlandschaft und die Zunahme einer kirchenfernen und zum Teil auch kirchenfeindlichen Grundstimmung im Lande zunächst einmal zu internen Kämpfen führt, ist für viele Bischöfe offenbar eine neue Erfahrung. In den in Fulda zu beobachtenden Reaktionen zeigten sich unterschiedliche Grade der Souveränität im Umgang mit den neuen Konfliktlinien. Einige konservativere Bischöfe tun sich schwer, die schmerzhaften Erfahrungen aus der Missbrauchs- und Vertrauenskrise als Chance für eine innere Reinigung und einen Neuanfang zu begreifen. Sie warnen, die Kirche dürfe sich nicht von Medien und Protestierern vor sich her treiben lassen. Andere hingegen denken darüber nach, ob nicht die lange beklagte Dialogverweigerung und der von einigen behauptete "Reformstau" nun in der neuen Gemengelage aufgelöst werden könne. Dann könnten die vor 50 Jahren beim Reformkonzil in Rom noch ausgeklammerten Themen endlich wieder offen diskutiert werden.



Ob dies in eine Art "deutsche Synode" münden soll, ließ Zollitsch in Fulda offen. Nach den Erfahrungen der Würzburger Synode (1972-1975) warnen Zeitzeugen von damals, darunter der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, davor, sich zum jetzigen Zeitpunkt auf ein so umfangreiches und schwerfälliges Abenteuer einzulassen. Der nun ausgerufene Dialogprozess ist zwar unverbindlicher als eine Synode, sein Vorteil liegt aber darin, dass er flexibler ist.