Merkel spricht Bischöfen Vertrauen aus - Justizministerin bietet Zollitsch Gespräch an - Ultimatum aus der Welt

Erste Entspannungssignale

Im Streit zwischen Bundesjustizministerin und Bischofskonferenz gibt es erste Entspannungssignale. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den katholischen Bischöfen ihr Vertrauen ausgesprochen. Die Kanzlerin habe keine Zweifel, dass die Bischofskonferenz das Thema ernsthaft und gründlich bearbeite, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Mittwoch in Berlin. Merkel begrüße es zudem, dass es ein Gespräch zwischen Zollitsch und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geben solle.

Vertrauen: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Erzbischof Robert Zollitsch (KNA)
Vertrauen: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Erzbischof Robert Zollitsch / ( KNA )

Leutheusser-Schnarrenberger hatte der Kirche vorgeworfen, dass sie nicht konstruktiv mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeite. Ein aktives Interesse an einer lückenlosen Aufklärung bestehe offenbar nicht. Daraufhin hatte Zollitsch mit scharfer Kritik reagiert: Die Ministerin polemisiere «maßlos gegen die katholischen Kirche». Der Erzbischof forderte Leutheusser-Schnarrenberger schriftlich auf, innerhalb von 24 Stunden ihre Kritik zurückzunehmen.

Die Justizministerin kündigte an, Zollitsch in angemessener Form schriftlich zu antworten. Außerdem sei sie zu einem Gespräch bereit. Ein Termin sei noch offen, sagte ihr Sprecher Anders Mertzlufft. Es sei allerdings «ein wenig ungewöhnlich», dass einem Regierungsmitglied eine Frist für eine Antwort gesetzt werden. Der Sprecher sah keinen Anlass, die Kritik der Ministerin zurückzunehmen. Leutheusser-Schnarrenberger wolle jedoch einen öffentlichen Schlagabtausch vermeiden.

Zollitsch hebt Ultimatum auf
Der Konferenzvorsitzende, Erzbischof Zollitsch, sagte daraufhin am Mittwoch in Freiburg, der angekündigte Brief von Leutheusser-Schnarrenberger in der Sache zeige, dass die Ministerin das Gespräch suche, es aber nicht in der Öffentlichkeit führen wolle.

Positiv bewertete der Freiburger Erzbischof, dass die Liberale in einem Deutschlandradio-Interview vom Mittwochmorgen ihre Aussagen teilweise korrigiert habe. Das Katholische Büro in Berlin suche jetzt den Kontakt zum Ministerium. Leutheusser-Schnarrenberger hatte in dem Interview erklärt, es gehe ihr nicht um einen Konflikt mit der katholischen Kirche und einen öffentlichen Schlagabtausch, sondern um Verbesserungen im Umgang mit sexuellem Missbrauch.

Zugleich betonte sie jedoch erneut, es reiche nicht aus, wenn die katholische Kirche nur bei erwiesenen Fällen von sexuellem Missbrauch zur Selbstanzeige auffordere oder die Behörden einschalte. Schon bei Verdachtsfällen müsse eine objektive Stelle wie die Staatsanwaltschaft informiert werden. Missbrauch sei ein Offizialdelikt. Zugleich räumte die Ministerin ein, dass es in Deutschland keine Pflicht zur Anzeige gebe.

Warnung vor "Steriler Seelsorge"
Vor einer «sterilen Seelsorge» als Folge des kirchlichen Missbrauchsskandals warnte der Trierer katholische Bischof Stefan Ackermann. Es drohe ein Klima des totalen Verdachts, in dem jeder Körperkontakt und jede Begleitung von Minderjährigen durch Priester mit Argwohn gesehen werde, sagte er in Freiburg. Schon heute seien gemeinsame sportliche Aktivitäten, die früher selbstverständlich zur Jugendpastoral gehörten, kaum noch möglich.

Unterdessen trat auf Drängen des Erzbistums München-Freising der Ettaler Benediktinerabt Barnabas Bögle (53) zurück. Grund ist ein bisher nicht öffentlich bekannter Missbrauchsverdacht gegen Kloster Ettal, der in Bögles Amtszeit fällt. Das Kloster sei seiner seit 2002 bestehenden Meldepflicht für alle solchen Verdachtsfälle nicht nachgekommen, teilte das Erzbistum mit. Gymnasium und Internat von Kloster Ettal gelten als Vorzeige-Bildungseinrichtung der katholischen Kirche in Deutschland.

Bei der Bonner Staatsanwaltschaft ging erstmals eine Anzeige wegen Missbrauchs eines Schülers ein. Das sagte der Sprecher, Oberstaatsanwalt Fred Apostel. Die Justizbehörde ermittle und prüfe die Vorwürfe eines Schülers am Bonner Aloisiuskolleg der Jesuiten, die sich gegen einen heute 82-jährigen Jesuiten richten und auf das Jahr 2005 beziehen.

Bistum Aachen will noch offener mit Verdachtsfällen umgehen
Das Bistum Aachen will beim Verdacht sexuellen Missbrauchs durch Geistliche die Staatsanwaltschaft frühzeitig einschalten. Nach einem Gespräch von Bistumsvertretern mit den Leitern der Staatsanwaltschaften Aachen, Mönchengladbach und Krefeld wurde eine Präzisierung der derzeit gültigen Verfahrensordnung vereinbart, wie die Diözese mitteilte. Danach soll der Missbrauchsbeauftragte des Bistums im Verdachtsfall frühzeitig mit der zuständigen Staatsanwaltschaft Kontakt aufnehmen. Dazu seien dem Bistum von allen drei Staatsanwaltschaften Ansprechpartner in den Jugendschutzdezernaten benannt worden.