Viele Auseinandersetzungen um Kirche und Religion in Deutschland

Vatikan stoppt "Titanic"

Das selbsterklärte endgültige Satiremagazin "Titanic" verhöhnt in seiner aktuellen Ausgabe offenbar Bezug auf die Vatileaks-Affäre nehmend Papst Benedikt XVI. Nun ist der Vatikan rechtlich gegen das Blatt vorgegangen. Auch die Facebook-Fans von domradio.de zeigen sich empört.

Autor/in:
Christoph Ahrens
 (DR)

Darf man Witze über Gott, die Propheten und das Bodenpersonal der Religionen machen? Was Muslime mit Blick auf die Mohammed-Karikaturen mit einem klaren Nein beantworten, wird in den westlichen Gesellschaften vielfach anders gesehen. Immer wieder gibt es Streit um Spott und Hohn für Gott und Sohn.

Am Dienstag erließ das Landgericht Hamburg auf Begehren des Vatikan eine Einstweilige Verfügung gegen die aktuelle Ausgabe der "Titanic": Das Frankfurter Satiremagazin darf die Vor- und Rückseite der aktuellen Ausgabe, die offenkundig auf die Vatileaks-Affäre anspielt, nicht weiter verbreiten.

Sie zeigt unter dem Titel "Halleluja im Vatikan - Die undichte Stelle ist gefunden!" ein Foto des grüßenden Papstes Benedikt XVI. mit einem mittels Bildmanipulation eingefügten Urinfleck auf der Soutane. Auf der Rückseite ist der Papst von hinten zu sehen mit einem ebenfalls eingefügten Kotfleck auf Gesäßhöhe und der Überschrift: "Noch eine undichte Stelle gefunden!" Der Vatikan sieht dadurch die Persönlichkeitsrechte des Papstes verletzt.

Facebook-Fans von domradio.de kommentieren das so "Da hört die Pressefreiheit auf", "Das ist Hetze", "Geschmacklosigkeiten werden als Satire verkauft oder als Kunst" und "Einfach nur geschmacklos und unterste Schublade". (Sie wollen mitdiskutieren? www.facebook.com/domradio.de)

"Papst verklagt Titanic" meldete derweil triumphierend das Satiremagazin auf seiner Homepage. Es sei das erste Mal, dass ein Kirchenoberhaupt zivilrechtlich gegen die Zeitschrift vorgehe. Schon mehrfach aber stand das Magazin im Zentrum des Streits um die satirische Darstellung von Glaubensinhalten, um Gotteslästerung und die Missachtung religiöser Gefühle.

Aber auch Theater, Film und Werbung greifen zum Stilmittel der Provokation, um auf sich aufmerksam zu machen. Da verfremdete der Jeans-Hersteller Otto Kern 1994 das Abendmahl-Gemälde von Leonardo da Vinci und präsentierte einen Jesus, der von zwölf jeweils nur mit einer Jeans bekleideten Frauen umringt ist. Da zeigte Martin Scorsese 1988 in seinem Film "Die letzte Versuchung Christi" eine Liebesszene Jesu mit Maria Magdalena.

Es gebe "keine Tabus und keine Grenzen des guten Geschmacks", so formulierte es 1996 der damalige "Titanic"-Chefredakteur Oliver Schmitt. Jeder Mensch habe "ein Recht auf Verarschung". Erst recht die katholische Kirche. Nach dem Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichts veröffentlichte "Titanic" 1995 einen gekreuzigten Jesus mit Klopapierrolle auf dem Titelblatt. Und TV-Journalist Friedrich Küppersbusch lästerte: "2000 Jahre rumhängen ist ja auch kein Vorbild für die Jugend".

Empörung war garantiert: Bei der Jagd nach Quoten oder Aufmerksamkeit werde selbst das Heiligste zum Gegenstand von Hohn und Spott, klagte der damalige ZDF-Moderator Peter Hahne. Doch was tun? Die Deutsche Bischofskonferenz zeigt sich immer wieder unsicher, ob sie laut protestieren soll. Einerseits fühle sich mancher Katholik von den Bischöfen alleingelassen, wenn solche Häme unwidersprochen hingenommen werde, hieß es. Andererseits werte man viele Darstellungen durch Proteste nur noch auf. Als 2002 die umstrittenen Jesus-Cartoons des Karikaturisten Gerhard Haderer in Kassel gezeigt wurden, verzichteten Bischofskonferenz und die evangelische Kirche auf Proteste, um nicht Werbung für die Zeichnungen zu machen.

Zumindest, was die Missachtung religiöser Gefühle angeht, bestehen vor Gericht nur geringe Chancen auf Erfolg. Zwar gibt es in Deutschland seit 1871 das Verbot der Gotteslästerung im Strafgesetzbuch. Doch spätestens seit der Reform von 1969 erwies sich Paragraf 166 als stumpfes Schwert, weil nicht mehr die Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses bestraft wird, sondern nur noch die Störung des öffentlichen Friedens.

Seit einigen Jahren war es allerdings erstaunlich ruhig an der Satire-Front: Nur die Kölner alternative "Stunk"-Sitzung machte gelegentlich mit Angriffen auf Kardinal Joachim Meisner von sich reden. Schon vor ein paar Jahren meinte Talk-Master Harald Schmidt, die Kirche zu verspotten, sei ihm zu platt. Das tue doch inzwischen jeder, der sich für einen Satiriker halte. Dass die "Titanic" es jetzt erneut versucht hat, zeigt vielleicht auch, dass Papst und Vatikan neue Angriffsflächen bieten.