Jubelnde Massen stärken dem Papst in Mailand den Rücken

Jenseits von Vatileaks

Der Papst und die Mailänder bestärken sich gegenseitig. Die knapp 60.000 Menschen auf dem Domplatz jubelten Benedikt XVI. am Freitagabend ebenso wie viele Kinder und Jugendlichen im San-Siro-Stadion am Samstag laut zu und hießen ihn mit "Benedetto"-Sprechchören willkommen. Benedikt XVI. wiederum sparte nicht mit Lob für die norditalienische Stadt und ihre Kirche.

 (DR)

Auch bei dem Konzert in der Scala oder beim Stundengebet im Dom gab es ungewöhnlich langen Applaus für den Papst, der sich auf seiner ersten Reise nach dem Vertrauensbruch in der päpstlichen Familie und der Verhaftung seines Kammerdieners vor gut einer Woche befindet. Benedikt XVI. wiederum würdigte die "glanzvolle Tradition" der Stadt und sprach neben dem eigentlichen Anlass der Reise, dem VII. Weltfamilientreffen, auch immer wieder die verheerenden Erdbeben in der Emilia-Romagna und Teilen der Lombardei an.



Die Vatileaks-Affäre um die Weitergabe vertraulicher Vatikandokumente an die Medien begleitet auch den dreitägigen Besuch Benedikts XVI. Nicht zuletzt weil am Freitag der neue provisorische Kammerdiener des Papstes, Sandro Mariotti, seinen ersten internationalen Auftritt hatte. Auch die für inneritalienische Reisen unübliche Anwesenheit von Kardinalsstaatsekretär Tarcisio Bertone sorgte kurzzeitig für Spekulatione. Handelte es sich etwa um eine zusätzliche öffentliche Vertrauensbezeugung für den "zweiten Mann" im Vatikan, gegen den sich die Veröffentlichungen angeblich richten sollen? Vatikansprecher Federico Lombardi dementierte dies. Die Teilnahme Bertones sei aufgrund des internationalen Charakters des Weltfamilientreffens von Anfang an geplant gewesen.



"Lassen wir den Papst unsere Umarmung spüren! Heiligkeit, wir haben Sie gern!", feuerte der gastgebende Erzbischof des Treffens, der Mailänder Kardinal Angelo Scola, die Menge auf dem Domplatz an. Unter dem Applaus von mehreren Zehntausend Menschen lobte der Papst Kirche und Bevölkerung für ihre bislang geleistete Unterstützung für die Erdbebenopfer und rief zu weiteren Hilfen auf. Auch nach der freudigen 9. Symphonie Beethovens in der Scala erinnerte er an den "Schatten des Erdbebens, der vielen Menschen großes Leid bereitet habe. Nach dem vom Papst als "grandios" bezeichneten Konzert und offenbar vom großen Zuspruch der Menschen getragen, wirkte Benedikt XVI. gelassen und munter - von der Anspannung, die am Mittwoch unverkennbar war, als er sich erstmals nach der Verhaftung seines Kammerdieners zur "Vatileaks"-Affäre äußerte, war nichts mehr zu sehen.



Der Champion dieses Stadions

Noch begeisterter war der Empfang, den mehr als 60.000 Jugendliche dem Papst boten, als er - begleitet von dem Genesis-Hit "Follow You, Follow Me" - in das Mailänder Fußballstadion einfuhr. Mit verschiedenfarbigen Kartons bildeten einige junge Menschen auf dem Rasen zunächst das Logo des Treffens nach, dann ein Kreuz. Unter dem Applaus eines lächelnden Papstes präsentierten sie ähnlich wie bei Olympischen Spielen die Flaggen der am Weltfamilientag teilnehmenden Nationen. Der junge Giovanni Castiglioni versicherte Benedikt XVI. "heute bist du der Champion dieses Stadions und der Trainer der riesigen Mannschaft der Kirche".



Wiederverheiratete Geschiedene nicht ausschließen

Der Papst blieb länger als geplant bei den Jugendlichen, die sich auf das Sakrament der Firmung vorbereiten; er sang und betete mit ihnen. In seiner Ansprache rief Benedikt XVI. sie auf, nach hohen Idealen und nach Heiligkeit zu streben. Diese hänge nicht vom Alter ab und sei kein Phänomen der Vergangenheit. Zum Abschluss erklang wie am Vorabend die "Ode an die Freude", diesmal in einer rockigen Version, als der Papst einige behinderte Kinder segnete und vom Kapitän des Fußballklubs Inter Mailand, Javier Zanetti, ein Trikot von dessen Team überreicht bekam.



Am Abend folgte schließlich das bislang größte Treffen mit den Teilnehmern an dem fünftägigen Weltfamilientag und weiteren Gläubigen aus Norditalien: Ein großes Fest mit rund 350.000 Menschen, bei dem verschiedene christliche Familien dem Papst aus ihrem Leben berichteten. Unter ihnen war auch eine vom Erdbeben betroffene Familie. In einer Antwort auf die Frage einer Familie bezeichnete der Papst den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von den Sakramenten der katholischen Kirche als "ein großes Leiden der heutigen Zeit". Die Kirche habe jedoch keine "Rezepte" zur Lösung dieses Problems, sagte er. Wiederverheiratete Geschiedene dürften nicht ausgeschlossen werden, auch wenn sie nicht an der Eucharistie und der Beichte teilnehmen könnten, hob der Papst hervor. Dies müssten die Gemeinden gegenüber den betroffenen Personen zum Ausdruck bringen. Ungeachtet ihres Ausschlusses vom Kommunionempfang könnten wiederverheiratete Geschiedene dennoch geistlich mit Christus verbunden sein, so Benedikt XVI.



In seinen teils sehr persönlichen Einlassungen auf Fragen von Familien ging es unter anderem auch um die Belastungen von Familien durch die Wirtschaftskrise sowie um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.