Reaktionen auf die Rede des Papstes

"Eine Sternstunde"

Erstmals hat am Donnerstag ein Papst im Deutschen Bundestag gesprochen. Nachfolgend Reaktionen auf die Rede.

 (DR)

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich sehr zufrieden über die Papstrede im Bundestag geäußert. Schon zu Beginn der Rede habe eine ungewöhnlich konzentrierte Stimmung geherrscht, "wie wir das selten erlebt haben", sagte er am Donnerstag in der ARD.



Als besonders wichtigen Punkt der Rede bezeichnete er den Hinweis des Papstes auf die Grenzen des Mehrheitsprinzips. Damit stelle das Kirchenoberhaupt den Abgeordneten die zentrale Frage, wie sie jenseits demokratischer Verfahren Recht und Gerechtigkeit schaffen könnten. Überrascht habe die Forderung des Papstes, nicht nur die Ehrfurcht vor der Natur, sondern auch die Ehrfurcht vor dem Menschen neu zu entdecken.



Der CDU-Politiker hielt den Medien vor, die Debatte um den Boykott der Papstrede befeuert zu haben. Erst die intensive Berichterstattung habe dazu geführt, dass mancher Abgeordnete einen "Tapferkeitsorden" angestrebt habe, indem er seinen Boykott angekündigt habe.

Norbert Lammert, Bundestagspräsident





Als "christlich-philosophische Sternstunde für das Parlament" hat der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker die Rede von Papst Benedikt XVI. vor dem Deutschen Bundestag bezeichnet. Besonders gefallen habe ihm die Einladung an die Politik, "ein hörendes Herz" zu haben, sagte Becker, der während der Rede selbst Gast im Bundestag war. Der Papst habe mit seinem Vortrag gezeigt, "dass politisch-ethische Orientierung aus dem Glauben nicht nur möglich, vielmehr geboten" sein kann.

Erzbischof Hans-Josef Becker



Der Papst habe in seiner Rede deutlich gemacht, was richtige Grundlagen für Entscheidungen seien. Er habe "deutliche Kritik an den Finanzmärkten" geäußert und auch betont, dass der Mensch sich nicht manipulieren dürfe, was eine Absage an die Präimplantationsdiagnostik (PID) sei.

Volker Kauder (CDU), Unions-Fraktionsvorsitzender in der ARD





"Er hat Grundlagen für verantwortungsvolles Handeln deutlich gemacht; dass der innere Kompass für die Grundorientierung wichtig ist." Nur dann könne man richtig handeln.

Rainer Brüderle, FDP-Fraktionsvorsitzender in der ARD





Die Rede sei weder überraschend noch deklaratorisch gewesen. "Es war eine Rede, die aufgibt, zwischen den Zeilen zu lesen." Wer hingehört habe, habe erkannt, dass es die Aufgabe eines Politikers sei, Regeln zu setzen. Außerdem habe der Papst die Politiker aufgerufen, sich Orientierung mit Hilfe der Natur und der Vernunft zu holen.



"Das war nicht die Rede, um junge Menschen in die Kirche zu bringen."

Frank-Walter Steinmeier, SPD-Fraktionsvorsitzender in der ARD und beim Nachrichtensender n-tv





"Die Rede hätte auch sehr gut in die Humboldt-Universität gepasst." Dass der Papst die ökologische Bewegung lobte, nehme er "positiv zur Kenntnis". "In der Rede war nichts, was einen gezwungen hätte, den Saal zu verlassen."

Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag in der ARD





"Bemerkenswert finde ich, wie der Papst betont hat, dass die Menschenrechte und die Achtung der Menschenwürde Grundprinzipien Europas sind, auf die wir uns immer wieder besinnen sollten." Damit gelte das dann folgerichtig auch für Schwule, Lesben, Flüchtlinge, Menschen anderer Glaubensrichtungen oder mit atheistischen Überzeugungen, für Wiederverheiratete und Geschiedene. "Entsprechend verstehe ich diese Rede durchaus auch als ein Appell an die eigene Institution." Es sei eine bemerkenswerte Rede gewesen.

Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen





"Der Papst hat darauf hingewiesen, dass ein Staat ohne Recht nicht funktionieren kann. Damit hat der Papst Partei ergriffen für einen handlungsfähigen Staat, der die Märkte reguliert und für eine Gesellschaft, in der die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärken gilt."

Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag





"Auch als Protestant darf ich sagen: Ein bewegender Moment im Deutschen Bundestag. Papst Benedikt XVI., unser Bruder im Glauben, ist eine Persönlichkeit voller Demut - mit einem begnadeten Intellekt gesegnet und von tiefer Spiritualität geprägt. Es war die richtige, respektvolle Entscheidung, unserem Landsmann das Forum des Parlaments für eine beeindruckende Rede zu geben."

Patrick Meinhardt (FDP), Sprecher der Gruppe "Christen in der FDP-Bundestagsfraktion"





"Es war keine moralisierende, keine belehrende, sondern eine argumentative Rede." Die wichtigste Botschaft sei die Verbindung von Rechtsstaat und Freiheit gewesen.

Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in der ARD





"Sie hat mich wenig überrascht." Der Papst diskutiere wie bekannt auf einem hohen Niveau. Der Einsatz für den Glauben und der Hinweis zur Demut gegenüber der Natur seien wichtige Aspekte gewesen. "Er wird auch viel Anklang bei Muslimen finden."

Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in der ARD





"Das war eine Sternstunde in meinem Leben als Abgeordneter und für das Parlament." Die Ansprache des Papstes sei "eindrücklich, mahnend und aufmunternd gewesen".

Peter Weiß (CDU), Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken





"Es war zwar eine kluge Rede, aber es sind auch Chancen verpasst worden." Sie bedauere, dass der Papst die Ökumene nicht angesprochen habe. Dabei habe der Bundestagspräsident "von ihm eindeutig ein unübersehbares Zeichen gefordert". Benedikt XVI. habe in seiner Rede von allen, die Verantwortung tragen, ein "hörendes Herz" verlangt. "Das wünsche ich auch der katholischen Kirche. Leider hatte sie bei den vielen Fällen sexuellen Missbrauchs eher den Täterschutz im Blick als das Leiden der Opfer."

Kerstin Griese, SPD-Abgeordnete und Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland



Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat die Rede von Papst Benedikt XVI. im Bundestag begrüßt. Besonders wichtig sei für ihn der Hinweis gewesen, "dass wir Menschen demütig sein sollen und in Beziehung zum Schöpfer stehen", sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek am Donnerstag. Mit seinen Ausführungen werde das katholische Kirchenoberhaupt auch "eine ganze Reihe von Muslimen gewonnen haben", so Mazyek. Er erwarte sich von dem am Freitagmorgen anstehenden Treffen mit Vertretern der Muslime in der Apostolischen Nuntiatur in Berlin einen "neuen Schub im interreligiösen Dialog".

Vorsitzende Aiman Mazyek, Zentralrat der Muslime in Deutschland