Papst Benedikt XVI. besucht San Marino

"Besinnt euch auf euer religiöses Erbe"

Wann spricht ein Papst schon einmal unmittelbar zu einem Gutteil der Gesamtbevölkerung eines Landes? In San Marino, dem 32.000 Einwohner zählenden Zwergstaat unweit von Rimini: Rund 22.000 Sanmarinesen und Italiener versammelten sich am Sonntag zum Gottesdienst mit Benedikt XVI. auf dem Gelände des "Stadio Olimpico".

Autor/in:
Agathe Lukassek
 (DR)

Bei sonnigen 25 Grad versicherte der Papst zu Beginn seiner eintägigen Pastoralreise in das Bistum San Marino-Montefeltro, dass er gekommen sei, um die Freuden, aber auch die Mühen und die Ideale der Diözese San Marino-Montefeltro mitzutragen. Die Bevölkerung dankte es ihm mit Applaus, der Chor sang Mozart, die Straßen waren abwechselnd mit Fahnen San Marinos und des Vatikan sowie mit Willkommens-Plakaten geschmückt.



Die Erwartungen, die zuvor an den Papstbesuch geknüpft wurden, waren hoch: "Herr, stärke unseren Glauben" lautet das offizielle Motto der Visite. Dieses Thema griff der Papst auch in seiner Predigt auf: Er warnte eindringlich vor einer Verdrängung christlicher Werte durch Machtstreben und Genusssucht und rief die Bevölkerung zu einer Rückbesinnung auf das reiche christliche Erbe des Landes auf.



Sorge um Familien

Besorgt äußerte er sich zudem über die Lage von Familien. Viele von ihnen befänden sich aufgrund der psychologischen und geistlichen Instabilität der Eheleute in einer Krise, sagte der Papst. Angesichts der vielen sozialen Schwierigkeiten und der schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt sei es außerdem schwierig geworden, für eine kontinuierliche Erziehung der Jugendlichen Sorge zu tragen.



Der Bischof von San Marino-Monteveltro, Luigi Negri, hatte vor dem Besuch hervorgehoben, dass auch San Marino keine Insel der Seligen mehr sei. Viele Unternehmen befänden sich in einer Krise, die Arbeitslosigkeit sei hoch, die besten Kräfte verließen das Land.



Wachsene Arbeitslosigkeit

Wer jedoch die vielen, überwiegend russischen Touristen sieht, die sich aus dem rund 25 Kilometer entfernten Rimini aufmachen, um in San Marino einzukaufen, könnte auf den ersten Blick durchaus den Eindruck gewinnen, dem Kleinstaat gehe es gut. Die Hauptstraße, die durch die sanmarinesischen Gemeinden auf den Monte Titano führt, säumen Sportartikel-, Luxuswagen- und Sportwaffengeschäften. Die Statistik spricht jedoch eine andere Sprache: Das Bruttoinlandsprodukt von San Marino sank nach jahrelangem Wachstum 2009 zuletzt um satte 13 Prozent. Von der wachsenden Arbeitslosigkeit sind, wie im umliegenden Italien, insbesondere junge Menschen betroffen.



Am Nachmittag sollte das Oberhaupt des kleinsten Staates der Welt mit der Regierung des anderen von Italien umschlossenen Zwergstaates zusammentreffen. Vor den beiden Regierenden Hauptleuten, Maria Luisa Berti und Filippo Tamagnini, sowie dem aus 60 Abgeordneten bestehenden Parlament wollte Benedikt XVI. in einer programmatischen Rede seine Gedanken zu den Problemen San Marinos vertiefen.



Schließlich hat das Land eine reiche Geschichte: Als Gründungsdatum wird der 3. September 301 angesehen, an dem der Steinmetz Marinus vor der Christenverfolgung Zuflucht auf dem 756 Meter hohen Titano fand. Die beiden Capitani Reggenti bilden seit 1243 das auf sechs Monate gewählte Staatsoberhaupt. Als selbstständig galt San Marino schon 885, seit 1448 trägt es die Bezeichnung Republik.



Papst: Junge Menschen dürfen nicht dem Egoismus verfallen

Zum Abschluss seines Besuches in San Marino hat der Papst Jugendliche aufgerufen, sich nicht in der oberflächlichen Welt des Materiellen zu verlieren. Junge Menschen dürften nicht der Logik des Egoismus und des Individualismus verfallen und sich mit bequemen Antworten auf die grundlegenden Fragen des Lebens zufriedengeben, sagte der Papst am Sonntagnachmittag vor mehreren Tausend Jugendlichen im Zentrum von Pennabilli unweit der Stadt Rimini.



Eine gewisse existenzielle Unruhe sei zwar hilfreich und gesund, so Benedikt XVI. Der Mensch müsse aber auch in der Ära des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts für das Leben in seiner ganzen Tiefe und für die Erfahrung Gottes offen bleiben.



Oberflächliche Antworten könnten zwar kurzfristig rauschähnliche Glückszustände vermitteln, führten jedoch letztlich nicht zur "wahren Freude des Lebens", erklärte der Papst. Das Leben könne nicht "auf Sand gebaut" werden, sondern bedürfe eines Felsens. Vor allem Jugendlichen dürften nicht der Auffassung verfallen, wissenschaftlicher und technischer Fortschritt böte Lösungen für alle Probleme der Menschheit. Selbst wenn dies tatsächlich so wäre, fehle die Antwort auf grundlegenden Fragen nach Sinn und Zweck des Lebens. Grundsätzlich sei wissenschaftlicher Fortschritt zu begrüßen, so der Papst. Dennoch könne er Freiheit, Freundschaft und Liebe in den Beziehungen der Menschen nicht ersetzen.