Benedikt XVI. feiert Messe mit 300.000 Gläubigen bei Venedig

Der Papst auf dem Canal Grande

Papst Benedikt XVI. ist bei seinem zweitägigen Pastoralbesuch in Venedig mit einer Gondel über den Canal Grande gefahren worden. Nach einem Wortgottesdienst im Markusdom bestieg er am Markusplatz eine prunkvolle Barke, die ihn zur Basilika Santa Maria della Salute brachte.

Autor/in:
Thomas Jansen
Der Papst in einer Gondel (KNA)
Der Papst in einer Gondel / ( KNA )

Dort wollte er vor Vertretern aus Kultur und Wirtschaft eine Grundsatzabsprache halten. Die Gondel des Papstes wurde bei ihrer viertelstündigen Fahrt von einer Flottille geschmückter Barken begleitet.



Papst Benedikt XVI. besucht Markusdom

Im Markusdom hatte der Papst zuvor erklärt, die Kirche müsse den Menschen der Gegenwart helfen, "die Hindernisse des Individualismus und Relativismus zu überwinden". Die Gläubigen dürften keine Angst haben, sich auch gegen den Strom zu bewegen, um Jesus zu begegnen.

Der Weg der Neuevangelisierung müsse den Dienst für die Armen ebenso einschließen wie das mutige christliche Zeugnis in den verschiedensten Lebensbereichen.





Mit einer großen Messe in Mestre bei Venedig hatte Benedikt XVI. den zweiten Tag seines Pastoralbesuchs im Nordosten Italiens fortgesetzt. An dem Gottesdienst im San-Giuliano-Park nahmen rund 300.000 Gläubige teil.



Benedikt XVI. rief die Menschen zur Solidarität mit Fremden auf. Zu den versammelten Gläubigen sagte er, in der Region lebten seit alters her Menschen unterschiedlicher Sprachen, Kulturen und politischer Vorstellungen zusammen. Diese alte spirituelle Einheit müsse gerade angesichts des Phänomens der Einwanderung und der neuen geopolitischen Gegebenheiten wieder verstärkt werden, mahnte der Papst.



Papst ruft zur Solidarität mit Fremden auf

Benedikt XVI. warnte zudem vor einer Aushöhlung des christlichen Glaubens und rief zu einer Neuevangelisierung auf. In vielen Bereichen der säkularisierten Gesellschaft komme das Christentum nur noch oberflächlich vor, beklagte er. Aufgabe der Kirche sei es, die Wahrheit und Einheit der christlichen Glaubens mutig zu verteidigen und für eine "Logik der Gemeinschaft, der Solidarität und des Teilens" einzutreten. Man müsse den Dialog mit der Moderne führen und dem Menschen inmitten seiner Probleme und Krisen in überzeugender Weise christliche Hoffnung vermitteln.





Erste Station seiner Reise war am Samstagnachmittag die Provinzstadt Aquileia. Dort rief er die Bevölkerung auf, das reiche christliche Erbe zu bewahren. Schon in der Antike sei diese Stadt ein Tor zwischen Orient und Okzident sowie ein Zentrum des wirtschaftlichen und kulturellen Austauschs gewesen, sagte der Papst vor etwa 4.500 Besuchern.



"Entdeckt diesen Glauben eurer Vorväter wieder neu"

Einen eigenen Gruß richtete er an Gäste aus dem benachbarten Österreich. "Aus den angestammten Wurzeln eurer Heimat mögen in euren Gemeinden weiterhin reiche Früchte hervorgehen", sagte er auf Deutsch. Die Katholiken der Region erinnerte er an Vorbilder des Glaubens aus dem frühen Christentum. "Entdeckt diesen Glauben eurer Vorväter wieder neu, verteidigt ihn und bekennt ihn", mahnte Benedikt XVI. "Nur von Christus her kann die Menschheit Hoffnung für die Zukunft empfangen. Nur durch ihn kann sie die Bedeutung und die Kraft von Vergebung, Gerechtigkeit und Frieden erfassen."



Aquileia war in der Antike und im Mittelalter einer der bedeutendsten Orte Italiens und zugleich ein kirchliches Zentrum mit einem eigenen Patriarchen an der Spitze. Von der Provinzstadt aus reiste Benedikt XVI. am selben Abend nach Venedig weiter. Dort stand nach einem Gruß an die Bevölkerung auf dem Markusplatz ein Besuch des Doms auf dem Programm.



Feierliche Begrüßungszeremonie auf dem Markusplatz

Am Abend hatte das Kirchenoberhaupt bei einer Begrüßungszeremonie auf dem Markusplatz von Venedig die herausragende Rolle der Lagunenstadt als Kunst- und Kulturmetropole unterstrichen. Zugleich verwies er auf ihre hohe Verantwortung für den kulturellen Austausch unter den Menschen. Die Stadt könne "Brücken des Dialog zwischen den Völkern und Nationen schlagen", unterstrich der Papst vor rund 25.000 Gläubigen.



Mit Venedig besucht der Papst eines der bedeutendsten und geschichtsträchtigsten Bistümer Italiens, die Stadt der Dogen und der Kreuzfahrer, den Aufbewahrungsort der Gebeine des heiligen Markus. Seit 2006 Benedikt XVI. auf den traditionellen päpstlichen Titel als dem "Patriarchen des Abendlandes" verzichtet hat, trägt der Erzbischof der Lagunenstadt nunmehr als einziger in Italien den Ehrentitel eines Patriarchen.



Nicht von Venedig, sondern von Mailand war allerdings in den vergangenen Monaten meist die Rede, wenn der Name des gegenwärtigen Patriarchen, Kardinal Angelo Scola, in Italiens überregionaler Presse fiel. Denn der renommierte Theologe gilt als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die anstehende Nachfolge von Kardinal Dionigi Tettamanzi in der Leitung der prestigeträchtigsten Diözese des Landes, des Erzbistums Mailand.



Abseits der Touristenpfade

Auch der Weg nach Rom führte in der jüngeren Vergangenheit wiederholt über Venedig: Allein im 20. Jahrhundert waren drei Päpste zuvor Kardinal allhier: Pius X. (1903-1914), Johannes XXIII. (1958-1963) und Johannes Paul I. (1978). Auch Scola selbst galt im April 2005 als papabile.



In eine Gegend Venedigs abseits der Touristenpfade und Postkarten-Idyllen führt Benedikt XVI. am Sonntag eine große Messe: Den Vorort Mestre prägen große Industrienanlagen und triste Wohnblocks. Hier wie im gesamten Nordosten Italiens ist deutlich die Wirtschaftskrise zu spüren, von der sich das Land anders als Deutschland längst noch nicht erholt hat.



Auch die Papstreise steht im Zeichen der schwierigen ökonomischen Lage der Region: Auf aufwendige Schmückungen der Straßen und Plätze habe man verzichtet, teilte der Erzbischof von Gorizia (Görz), Dino De Antoni, mit. Auch Fähnchen für die Gläubigen, die den Weg des Papstes nach Aquilea säumen, werde es von seiner Diözese nicht geben. Das eingesparte Geld solle stattdessen notleidenden Arbeitern und ihren Familien zugutekommen. Für diesen Solidaritätsfonds haben die Pfarrer des Erzbistums sogar auf zwei Monatsgehälter verzichtet. Und zur Finanzierung der Papstreise haben die Bistümer im Nordosten eigens eine Kollekte durchgeführt.



Um möglichst vielen die Anreise zur Messe nach Mestre zu ermöglichen, haben die Bischöfe der Region ihre Pfarrer aufgefordert, die für diesen Sonntag vorgesehenen Erstkommunionfeiern zu verschieben. Nicht alle Priester scheinen jedoch dem Wunsch nachgekommen zu sein. Und so wird mancher Katholik in Venetien am Sonntagabend nach der Erstkommunionfeier nur Fernsehbilder der Reise sehen: Benedikt XVI. auf dem Canal Grande.