Michael Josef Heinz übernimmt Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat

Ich wollte immer mehr als Entwicklungshilfe"

Wer sagt, dass die Träume der 80er Jahre tot seien? Sicher nicht der neue Adveniat-Chef Pater Michael Heinz. Er hat Sandinisten und Contras um seine Pfarrei in Nicaragua ringen sehen - und weiß, was Kirche bewirken kann.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Pater Michael Josef Heinz / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Pater Michael Josef Heinz / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )

Pater Michael Josef Heinz (55) hält die Vision der Dritte-Welt-Läden aus den 80er Jahren hoch. Der neue Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Adveniat hat all ihre Ideale gelebt: vom allerbilligsten Flugticket nach Lateinamerika nach dem Abitur bis zur weißen Fahne im blutigen Kampf Nicaraguas zwischen Sandinisten und Contras. Seine Liebe zu jenem Kontinent zwischen Armut, Leidenschaft und Hoffnung ist über die Jahrzehnte nur noch mehr gewachsen.

Wer weiß schon, wie die Divisionen des Papstes rekrutiert werden? Bei Michael Heinz ging die Vorsehung jedenfalls diskret vor. Geboren 1961 im saarländischen Düppenweiler, besuchte er ein Gymnasium der Steyler Missionare. Der Geruch von Weltkirche machte neugierig; der Geruch von Teestube und Dritte-Welt-Kaffee machte Durst nach Gerechtigkeit. Parkas und Hungermärsche waren eine unbequeme Botschaft an die gesettelte 80er-Jahre-Welt westlichen Wohlstands.

Spanisch-Wörterbuch im Gepäck

Wo Wille und Leidenschaft, da war auch in den frühen 80ern schon ein Weg. Das sperrige Spanisch-Wörterbuch im Gepäck; das totale Abenteuer entfachte umso mehr die Liebe zum Objekt der Sehnsucht. Ein junger Mann brannte für etwas, das damals zwischen so ziemlich allem stand:

zwischen Freiheitskampf und Militärdiktaturen; zwischen Befreiungstheologie und vatikanischer Repression; zwischen Menschenrechten und Folter, zwischen Vertreibung, Bulldozern und Barrikaden. Spannend allemal. Gefährlich. Zum Verlieben. 1983 trat der Saarländer Heinz in jenen Orden ein, der ihn als Schüler in diese fremde Welt eingeführt hatte: die Steyler Mission.

Vermittlung vor der Pfarrkirche

Nach einem Philosophie- und Theologiestudium an der Ordenshochschule in Sankt Augustin bei Bonn und der Priesterweihe 1992 löste er die lebensentscheidende Bahnsteigkarte nach Nicaragua. Sieben Jahre arbeitete er in dem zentralamerikanischen Land, in dem die USA und die untergehende Sowjetunion einen Stellvertreterkrieg führten. Gleich 1992 gab es einen Shoot-Out in seiner 10.000-Einwohner-Pfarrei Condega im nördlichen Bergland Nicaraguas.

US-gestützte "Contras" schleppten die sandinistischen Führer des Ortes in die Pfarrkirche, in der Heinz als Kaplan arbeitete. Draußen marschierten die bewaffneten Dörfler auf; aufgebracht, sandinistisch. Vermittlung war gefragt. Der junge Kaplan Heinz trat heraus, mit einem weißen Bettlaken. Währenddessen zogen die Contra-Rebellen, die hier wohl deutlich übers Ziel hinausgeschossen waren, durch den Hinterausgang ab. Ein mögliches Blutbad war verhindert.

Hurrican "Mitch" und verwüstete  und überforderte Gemeinde

Zum Ende seiner Jahre in Nicaragua erlebte Pater Heinz 1998 den verheerenden Hurrican "Mitch" mit landesweit 3.000 Toten - und was die Institution Kirche mit ihrem Netzwerk zu bewirken vermag. Der Bürgermeister seiner verwüsteten Gemeinde Palacaguina, einer Kleinstadt mit umliegenden Dörfern, zeigte sich restlos überfordert - und übergab das Krisenmanagement an die Pfarrei. Die Gemeindeleiter, Laien und Priester, sorgten dafür, dass die Soforthilfe die drängendsten Stellen erreichte.

Von 2000 bis 2006 organisierte Heinz im Generalat der Steyler Missionare in Rom Weiterbildungskurse seines Ordens und war dort an der Koordinierung der Sozialprojekte in aller Welt beteiligt: nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in Asien und Afrika. Weltkirche. Spannend - aber für den Basisarbeiter Heinz nicht nahe genug dran. Es zog ihn zurück auf "seinen" Kontinent.

Tiefland statt Hochland

Bolivien hieß diesmal das Ziel, regiert seit 2006 vom ersten indigenen Staatspräsidenten Evo Morales. Tiefland statt Hochland; Leben mit der indigenen Bevölkerung. Heinz leitete eine Pfarrei im Bistum San Ignacio de Velasco; 2009 bis 2012 war er dort Generalvikar.

Unter anderem initiierte er den Kauf einer (für deutsche Verhältnisse) großen Farm, die ökologisch bewirtschaftet und wiederaufgeforstet werden soll. Mit den Gewinnen sollen Sozialprojekte des Ordens und Schulen finanziert werden - ohne Zuschüsse aus Europa. Die Modell-Finca soll Jugendlichen zeigen, dass ökologische Anbaumodelle auch in ihrer Heimat möglich sind.

Von 2011 bis Ende 2016 war Pater Heinz Provinzial der Steyler in Bolivien. Nun wartet ein ganzer Kontinent auf seinen Tatendrang. Ein weiter Weg seit der saarländischen Teestube.


Quelle:
KNA