Eine Premiere

Wenn die Seele grünschwarz brennt

52 299 Menschen, ein grün-schwarzes Farbenmeer und eine hochvibrierende Spannung um mich herum.

Angelas Fußballpremiere / © Angela Krumpen  (ak)
Angelas Fußballpremiere / © Angela Krumpen ( ak )

„Hier, das Hockeystadion“. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Borussiastadion übernimmt mein Jüngster noch ein bisschen unsicher, aber doch unverhohlen stolz eine neue Rolle. Er erklärt mir die Welt. Seine Welt.  

Laaaange hat der Jüngste für einen Stadionbesuch mit Mama, geworben. Puh. Da ist es so laut. Und so teuer!

Aber Herzenswünsche sind Herzenswünsche. Sind unwiderstehlich. So sitze ich Sonntagabends, die Niederrheinsonne neigt sich orangerot am Himmel, in Block 2a, Reihe 13. Ich weiß, allen Fußballfans erzähle ich banales Zeugs. Für mich ist das eine funkelnagelneue Welt.

Das Spektakel beginnt lange vor dem Anpfiff. Riesige Fahnentaumel-Wellen stürzen von den Fanblocks durch die Arena, gigantische Trommelschläge heizen das Echo von Mal zu Mal stärker an.

Fahnen, Trommel und Gesänge brauen einen kraftvollen Hexenkessel. Geradezu archaische Kraft flutet das Stadion. Erschrickt mich.

An diesem Nachmittag wird in Thüringen ein Faschist die zweitmeisten Wählerstimmen bekommen. Ich habe Geschichte studiert, Bilder und Sportpalastgebrüll poppen in meinem Kopf auf. Erleichtert bade ich in der positiven, der einheitsstiftenden Seite dieser Menschenmenge.

Keine Zeit zum Nachdenken: Alle schwenken ihre Schals, schwören Stein und Bein auf die Elf vom Niederrhein. Springen direkt wieder auf die Beine: die Seele brennt.

Das Spiel beginnt. Schon stehen alle wieder. „Befehl von der Nordkurve“, zuckt mein Mann mit den Schultern. Die Nordkurvenborussiafans haben: „Steh auf, wenn du Borusse bist“, angestimmt. Wer sitzen bleibt, ist dann wohl Gast aus Frankfurt.

Kleine und große Fans zeigen so hingebungsvoll aufs Spielfeld, als könnte ihr bloßer Finger den Ball magisch lenken. Alle Spielfeldordner stehen standhaft mit dem Rücken zum Spielfeld, schauen in die Ränge. Also, alle außer einem. Der schaut über die Schulter. Fast das ganze Spiel.

Spektakel im Borussenpark. Bestes Spiel der Saison. Die Sportpresse wird Spiel, Team und Trainer in den höchsten Tönen loben. In der 28. Minute halte ich mir zum Döpdöpdöp-dödödö-döpdöpdöp-Torhymnenjubel der Borussen zum ersten Mal die Ohren zu.

2:0, Halbzeit. Danach haben die Eintrachtfans zweimal Grund ihre Riesenfahne mit Riesenadler zu schwenken. Die Borussenfans singen, mit wachsender Begeisterung, noch zwei weitere Mal ihr döpdöpdöp.

4:2. Abpfiff. Der Jüngste hätte mir wohl kaum ein besseres Spiel vorschlagen können. Spitzenreiter in der Tabelle. Nach 42 Jahren zum ersten Mal wieder so lange hintereinander. Stolzer Blick zurück - volle Kraft nach vorn. Raute im Herzen.

Die Seele brennt. Lichterloh.