vorlesen

Worte und Stimme können zaubern

"Ich kann leider nicht kommen". Die alte Dame, die mich am Vormittag anruft, fühlt sich zu schwach, um am Nachmittag zu meiner Lesung von Geschichten aus der WunderBar zu kommen. Kummervoll sagt sie ab. Meinem Herz gefällt das nicht: "Dann komme ich nach der Lesung einfach zu Ihnen", höre ich mich sagen.

vorlesen / © Anna Hamilton
vorlesen / © Anna Hamilton

Am Abend, beim „Vorlese-Hausbesuch“  bei der alten Dame, entfaltet sich  aller Zauber, den Vorlesen haben kann.

Vorgelesen habe ich schon immer. So haben wir auf unseren Reisen am Strand in Irland das irische Tagebuch von Heinrich Böll, im Pariser Marais Viertel einen Krimi, der im Pariser Marais Viertel spielte und im New Yorker Seemannshotel einen Roman des New Yorkers Paul Auster gelesen.

Vorlesen ist viel mehr, als nur vorlesen. Vorlesen erlaubt, gemeinsam  den eigenen Seelengrund schimmern sehen,  öffnet  unsere  Herzen, die sich in den Raum zwischen uns gießen.

Und manchmal passieren die erstaunlichsten Dinge dabei.

"Weiter, weiter". Einmal skandierten die Kinder uns in einen Leserausch, als wir einen sehr lustigen Roman lesen. Manchmal hielten wir  alle zusammen den Atem an. Und erst wenn wir uns von Dichte und Spannung erholt hatten, konnten wir von den Seiten lassen. Manchmal kletterten die Figuren aus den Büchern, saßen mit am Tisch.  

Und manchmal wurden die Geschichten zu eigenen Abenteuern im eigenen Leben.

Wie in dem Jahr, in dem wir einen charmanten, witzigen und anrührenden Schafskrimi lasen.  Plötzlich schleppte der  Kleine einen Stuhl auf die Wiese,  unter dem Arm ein Buch. Mitten auf der Wiese stellte er den Stuhl auf, klappte sein Buch, passenderweise Dr. Doolittle, der Arzt, der alle Tiersprachen spricht, auf und las mit lauter Stimme vor. Dreimal drehten die Schafe ihm ihre großen Hinterteile zu, dreimal zog er mit Buch und Stuhl hinterher. Dann kam er frustriert zurück.

 Zum Glück konnte ihn trösten, dass irische Schafe wohl nur englisch verstehen, solange sie in der Schafschule noch kein Deutsch hatten.

Auf dem Weg nach Hause von der alten Dame kommt mir eine Idee. Die Chefinnen des Kulturcafés, in dem ich regelmäßig die Geschichten aus der Wunderbar vorlese, finden die Idee gut. Zum  Kultursonntag des kleinen Ortes, stellen sie Couch, Nierentisch und Ohrensessel auf die Straße.

Auf der  Couch werde ich sitzen. Wer im Ohrensessel Platz nimmt, darf sich eine Geschichte wünschen, die ich dann ihr und ihm exklusiv vorlese.

Zum Beispiel diese hier.

Wenn Sie von der Kollegin Angela Krumpen aus der WunderBar vorgelesen bekommen wollen: dann z.B. am 17. Juni in Brühl im Veranstaltungszentrum MargaretaS um 19 Uhr 30.

Oder am 19. Juni beim Kultursonntag in Tönisvorst, den ganzen Nachmittag lang.