oder: wie viele sind wir?

Zwölf Tage nach Trump

Zwölf Tage ist es jetzt schon her. Dass mein Mann mich mit den Worten weckte: Es ist passiert. Was? Was ist passiert? Mühsam wurde ich wach, mein Mann hatte schon die erste Runde Zeitung und Internet hinter sich: Trump.

Oh my God: Trump / © Michael Reynolds (dpa)
Oh my God: Trump / © Michael Reynolds ( dpa )

Trump war passiert. Und auch  zwölf Tage - und so viele Worte – später, hat sich meine Verstörung nicht gelegt. Alle Zeitungen und Zeitschriften und Nachrichtenportale sind voll davon. Überall sprechen die Menschen darüber. Schockiert. Ungläubig. Zornig. Niedergeschlagen.

Trump hat alles angekündigt: Was er von Frauen, von  Muslimen, von illegalen Einwanderern, schwulen oder schwarzen Menschen denkt - alle haben gewusst, was Trump will. Und ihn trotzdem gewählt. So viele Frauen, und das verstört mich wohl am meisten, haben einen Mann gewählt, der sie beschimpft und verachtet. Vor allem konservative Frauen, sagen die Wahlforscher, hätten zu 78 % (!!!) für Donald Trump, einen sexistischen Frauenverachter, gestimmt. 52 % der Katholiken übrigens auch.

Mein Herz ist schwer: Das hatten wir alles doch alles schon mal! Dass Jemand ankündigte, wie er zu  Frauen, Behinderten, Schwarzen, Schwulen stand. Und, nein, nicht Muslims. Aber Juden. Nein, den wähle niemand. Als Hitler doch gewählt wurde, sollte das System ihn zähmen. Stattdessen hat er das System entfesselt. Wir alle wissen, wie das ausging.

Nein, ich will hier keine Kriegsangst verbreiten. Aber Beruhigungssülze will ich ganz sicher auch keine.

Ich will wissen, was wir, was ich jetzt tun kann. 70 Jahre lang fragen wir schon: wo waren die Christen, die Intellektuellen, die Aufrechten damals?

Und heute? Wo sind wir, was können wir tun?

Ich habe kein Patentrezept. Aber einen Wunsch. Den Wunsch, dass wir alle, die wir daran glauben, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben - und heterosexuelle, weiße, alte Männer nicht gleicher sind - sichtbar werden. Aufstehen.

Gefühlt sind wir viele. Aber wir vernetzen uns nicht, schreiben unsere Meinung nicht auf Seiten, die gegen Lügenpresse, Zensur und Meinungsdiktatur wettern. Wir kennen uns nicht.

Deswegen wünschte ich, ganz  Deutschland passte in ein Stadion. Und wir alle, die wir von der Gleichheit der Menschen überzeugt sind, stünden gleichzeitig auf. Hielten etwas, sagen wir einen Schal hoch, weiß, in der Farbe des Friedens.

Wäre dann das Stadion weiß – vielleicht hätten wir dann genug Mut, überall aufzustehen, wo das Leben uns hinstellt. Politiker nicht als Gegner, sondern als Verbündete zu sehen. Und alle anderen Menschen auch. Die in der Bahn, die am Elternstammtisch und die auf der Straße. Und dann: reden. Miteinander.

Vielleicht wäre das ein Anfang.