Altersadäquat. Sagen jedenfalls alle einschlägigen Ratgeber: Jugendliche würden vor elf Uhr abends überhaupt gar nicht müde. Zudem bräuchten sie ein paar Jahre lang mehr Schlaf, so zehn bis elf Stunden. Ok. Das Haus schläft also altersadäquat.
Altersadäquat. Das höre ich jetzt schon seit den ersten Ultraschallbildern. Gewicht, Zahnen, Krabbeln, Sprechen - alles muss beim Baby altersadäquat sei. Und altersadäquat geht es dann auch weiter: Wutanfälle mit knapp drei, Altersadäquate extrem charmante Zahnlücken mit sechs und so weiter und sofort.
Die letzten 20 Jahre war ein schlafendes Haus freie Zeit für mich. Selbstbestimmte Zeit noch dazu. Vor allem aber war sie eines: angenehm. Eine Wohltat. Heute aber erhebt ein höchst unangenehmes Gefühl seine Stimme.
Ich brauche ein bisschen, um es zu identifizieren. Plötzlich kenne ich seinen Namen: Diese freie Zeit, die ich da habe ist zwar frei, ja. Aber in sie mischt sich auch eine Spur von Leere. Ich habe zwar lange Listen im Kopf, was ich alles tun sollte. Von Bank über Buchhaltung, Beihilfe und Blog, fällt mir da richtig viel zu ein.
Aber wo sind: Frühstück machen, Zähneputzen, spielen, aufräumen, rausgehen, Vokabeln abfragen, Brote schmieren, impfen nicht vergessen, Betreuung für ein spuckendes Kind und all die andren vielen kleinen Dinge geblieben, die einfach zu tun sind, wenn kleine Wesen in ein Haus einziehen? Und solange bleiben, bis sie hoffentlich alles gelernt haben, was sie brauchen, um ein erfülltes Leben, das sie und andere Menschen glücklich macht, zu leben.
Tja, wenn ich es mal als eine Eltern To-do-Liste betrachte - dann ist die wohl: abgehakt. Erledigt. Kann zu den Akten.
Die Kirchuhr schlägt erst vier, dann zehn Mal. Zehn Uhr. Die Spur von Leere will sich gerade breitmachen, selbstmitleidig.
"Mama. Musst du schon wieder arbeiten? Ich habe Hunger. Frühstück ist fertig."
Ein Aufschub. Immerhin. Aber mehr auch nicht: seit gerade ist mir klar, es wird kommen: das leere Nest Syndrom.
Und das wird dann völlig altersadäquat sein.
