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Mairegen bringt Segen

„Wer hat denn bitte den bestellt?“, fragt der Jüngste. Immer noch im Homeschooling schaut er von seinen endlosen Arbeitsblättern auf und betrachtet frustriert den Regen im Garten.

blühender Rosenklee / © Angela Krumpen  (ak)
blühender Rosenklee / © Angela Krumpen ( ak )

„Mairegen bringt Segen“, antworte ich automatisch. Genauso automatisch denke ich an meinen Großvater, der mir den Spruch beibrachte.

Oft habe ich neben ihm in seinem großen Garten gestanden. Ein toller Garten mit einer großen Obstwiese, auf der süße und saure Kirschen, Birnen, Äpfel, Pflaumen und ich-weiß-nicht-was noch wuchsen.

Rundherum standen Beerensträucher aller Art, auch die fiesen Stachelbeeren, mit denen man mich als Kind jagen konnte. Gemüse- und Blumenbeete gab es natürlich auch. Kein Wunder, der Garten musste zwei Erwachsene und sechs Kinder ernähren. Und auch kein Wunder, dass Regen im Mai da mehr als willkommen war.

Dieser Garten ist für mich untrennbar mit meinem sehr geliebten Großvater verbunden. Ein Grund, warum in der Bienenweide, die jetzt in unserem Vorgarten blüht, auch kleine Obstbäume stehen.

Einer dieser kleinen Obstbäume ist ein Ableger aus dem Garten des schon sehr betagten Freundes Jakob. Jakob ruft mich ab und zu an, wenn in seinem großen Garten zu viele Früchte auf einmal reif sind.

Rote, unglaublich köstliche Pfirsiche zum Beispiel.

Den Pfirsichbaumableger hat Jakob mir geschenkt, weil ich nicht genug von seinen Pfirsichen bekommen konnte.  Als wir im Herbst unseren Vorgarten neu anlegten, haben wir den kleinen Baum feierlich und mit einer Extraportion Aufmerksamkeit eingepflanzt.

Tja. Dieser Vorgarten!

Gestern stand Jakob vor unserem Vorgarten. Bewunderte den prächtig blühenden Rosenklee. Schon. Aber er wiegte beim Anblick seines über Jahre gehegten Pfirsichbaumablegers auch seinen Kopf von rechts nach links und wieder zurück.

Sieht, wie traurig ich bin. Schließlich hat der Pfirsichbaum nicht eine einzige Knospe bekommen, während der kleine Birnbaumbruder aus dem Baumarkt neben ihm lustig vor sich hin grünt und blüht.

Etwas mühevoll beugt sich der lange und wirklich schon sehr alte Jakob zu mir herunter, streicht mir sacht über die Wange und sagt: „Er ist noch nicht ganz tot. In ein, zwei Ästen ist noch Leben. Du musst ihm gut zureden und gut gießen.“

Während es draußen regnet, kommt mein Mann und sagt: „Dieser schöne Regen ist das Beste, das Deinem Pfirsichbaum passieren kann.“

Mairegen bringt eben doch Segen.