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Hannelore Bartscherer

Samstagabend, halb elf. Keine Uhrzeit, um fremde Menschen anzurufen. Aber ich zögere nicht mal. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Es geht, buchstäblich, um Leben und Tod.

Hannelore Bartscherer / © Angela Krumpen  (ak)
Hannelore Bartscherer / © Angela Krumpen ( ak )

Es geht um eine schwangere Mutter, also gleich um zwei Leben. Seit fast 24 Stunden höre ich in Dauerschleife: "Da kann man nichts machen" und "man kann eben nicht allen helfen, damit musst du dich abfinden".

Aber wie, um Himmels Willen, soll ich mich damit "abfinden", dass im reichen Deutschland einer krebskranken jungen Frau nicht geholfen wird- und damit ihr Todesurteil und das ihres Babys gefällt wird?

Frühjahr 2001. Wir waren umgezogen. Zum ersten Mal kamen nette Nachbarn zu Besuch. Da klingelt das Telefon: Schwester Lea Ackermann: "Frau Krumpen, ich brauche 100 000 Mark". Eindringlich und aufgebracht erzählt sie wofür: Eine Illegale, schwangere junge Frau aus Ecuador hat Knochenkrebs. Nur eine Amputation, ein Kaiserschnitt und eine Chemotherapie könnten Mutter und Kind  retten. Die junge Frau war aber nicht in unmittelbar akuter Lebensgefahr, stirbt also nicht sofort. Ohne Bürgschaft entlässt das Krankenhaus sie, unbehandelt. Lebenserwartung von Mutter und Kind unter diesen Umständen: sechs Wochen.

Ich kann es nicht fassen. Beide werden in den sicheren Tod geschickt? Kurz bin ich sprachlos über soviel Härte und Zynismus. Dann überlasse ich die Gäste meinem Mann und telefoniere. Fast ununterbrochen, den ganzen Abend und den ganzen nächsten Tag. Schließlich, samstagabends, halb elf, rufe ich Hannelore Bartscherer an.

Ich kenne sie kaum. Weiß nur, dass sie die Vorsitzende des Katholikenausschusses in der Stadt Köln ist und ihr Tatkraft und Mut nachgesagt werden. Damals war sie noch nicht lange  im Amt. 20 Jahre lang sollte sie als Vorstandsvorsitze eindrucksvoll die Katholiken und Katholikinnen in der Stadt Köln vertreten.

Die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Ehrenamtes nutzt sie für alles, was ihr heilig ist. Hannelore Bartscherer vernetzt sich über alle Parteigrenzen und Milieus. Zwanzig lange Jahre schenkt sie ihre Zeit den Kölner Christen und Christinnen. Die weibliche Form ist ihr wichtig.

"Frau Krumpen, das lassen wir nicht zu. Machen Sie sich keine Sorgen, das Geld für die Bürgschaft finden wir", sagte sie an jenem Samstagabend. Mein Telefonmarathon war zu Ende. Mutter und Tochter überlebten.  Und ich erfuhr schon beim allerersten Kontakt das Motto von Hannelore Bartscherer: Bei Euch aber soll es anders sein.

Diese Woche hat sie ihr Amt abgegeben. Danke Hannelore.

Bei Dir war es anders.  


Hannelore Bartscherer in ihrem Büro / © Angela Krumpen  (ak)
Hannelore Bartscherer in ihrem Büro / © Angela Krumpen ( ak )