leider bedroht

Freibadglück

Mein Schreibtisch steht unter dem Dach. Auch im Rest des Hauses ist es heiß. Aber hier oben ist es wirklich besonders heiß.

 (DR)

Ich wandere die Treppe herunter zum Kühlschrank. Seitdem wir einen Getränkespender haben, brauche ich  nur  die Kühlschranktür aufzumachen, den kleinen zierlichen Hahn aufzudrehen- und schon läuft selbstgemachter Eistee in meinen Becher.

Während der Becher vollläuft, bin ich versucht, meinen Kopf in den Kühlschrank zu stecken. Für einen Moment erinnere ich  mich an meine liebste Abendbeschäftigung zurzeit: mit dem Kopf voran ins 50 Meterbecken springen, vom kühlen Nass empfangen werden und dann Bahn für Bahn durchs Wasser gleiten. Freibadglück. Welches ich aber nicht mehr lange genießen werden kann.

Jedes Jahr ist es eine große Freude und fast schon ein kleines Fest, wenn ich feierlich die Dauerkarte kaufe und das erste Mal auf den Scanner halte.

Aber dieses Jahr ist das Freibadglück getrübt. Denn: die nette Frau an der Kasse sagt beim Überreichen: tja, einmal noch. Dann wird das Bad geschlossen. Nur ein kleines, jetzt schon zu volles, 25 Meter Becken wird es draußen noch geben.

Die Nachricht erwischt mich auf dem falschen Fuß, das hatte ich nicht kommen sehen. Wie schrecklich - schwimmen ist schon immer mein Elixier. Hier kann ich abtauchen, mich erholen, mal meine Wut im Wasser wegkraulen, mal gemütlich Bahn um Bahn ziehen.

Ich habe das Schwimmen schon für mich entdeckt, als ich noch  in der Oberstufe war: ich weiß, ziemlich verrückt, aber mit dem Fahrrad fuhr ich zum Schwimmbad, zog meine Bahnen und ging dann glücklich zur Schule. Entsprechend lang pflege ich das Schwimmglück schon. Entsprechend groß ist meine Trauer.

Gerade dieses Freibad hat mich über den Umzug an den Niederrhein hinweggetröstet. Vieles hatte ich hier nicht mehr, aber immerhin hatte ich ein perfektes Freibad. Ich gehe immer abends, die letzten zwei Stunden, wenn die anderen aus den Becken krabbeln und ihre Sachen einpacken. Dann schwimme ich der Abendsonne entgegen, die sich der nächsten Bahn in den Fenstern der Halle spiegelt.

Puh, es ist schwer, Glück loszulassen. Ich weiß, es gibt viel Schlimmeres, aber selbst Freibadglück loslassen fällt mir schwer.

Vielleicht finde ich  nächstes Jahr ein neues Freibad, wer weiß das schon.

Jetzt gehe ich aber erst mal: schwimmen.