Karfreitag

Das rotlodernde Kreuz

Ein rotlodernes, riesiges Kreuz schlägt aus der brennenden Kathedrale Notre Dame de Paris in den Himmel.

Flammen und Rauch steigen aus der Kathedrale Notre Dame auf / © Thibault Camus (dpa)
Flammen und Rauch steigen aus der Kathedrale Notre Dame auf / © Thibault Camus ( dpa )

Unter all den vielen Bildern von der Brandkatastrophe aus Paris fällt dieses Bild von Helikoptern oder Drohnen aus der Luft von oben aufgenommen, vielleicht am tiefsten in mein Herz. Entzünden Bilder und Erinnerungen.  

Da ist der Winter, in dem ich mir in der Bibliothèque Nationale die Quellen für meine Staatsexamensarbeit erarbeitet habe. Der Winter war nicht nur kalt, die Arbeit im Archiv nicht nur einsam. Nein, viele Wochen lang war das öffentliche Leben auch noch durch einen Generalstreik lahmgelegt. Museen und andere öffentliche Orte wurden wie die Metro bestreikt.

In meiner 6qm Dachstube konnte ich nicht Stunden um Stunden sein. Manchmal bin ich dann ins Kino gegangen, um mich zu wärmen. Aber das Geld hatte ich natürlich nur selten.

Blieb: Notre Dame de Paris.

Kalt war es da auch. Aber wenigsten gab es Kerzen. Manchmal Orgelmusik. Und immer: diese fast schon überirdisch schönen Glasfenster: die sogenannten Rosaries.

Viele Jahre später kam ich mit dem Großen wieder. Beinahe Schulkinder werden groß und können große Reisen in große Städte machen. Wir besuchten meine französische Studienfreundin in der Nähe von Paris. Mit dem Vorortzug fuhren wir ins Zentrum, liefen an der Seine entlang, bestaunten den Eifelturm.

Als wir in der großen Kathedrale vor den Glasfenstern stehen, schlich sich auf einmal eine kleine Hand in meine. „Mama, ist das schön“ flüsterte das Kind, das dem Zauber dieser Fenster ebenso erlag wie ich Jahre zuvor.

Wieder Jahre später begleitete ich den Französischkurs der Großen nach Paris. Als sie mit ihrer Gruppe aus der Innenstadt zurückkam, in der sie Zeit zur freien Verfügung gehabt hatten, wollte ich freudestrahlend wissen, wie ihr denn Notre Dame gefallen habe?

Ähm. Die anderen hätten nicht dahin gewollt. Und sie dann auch nicht. Naja, habe ich damals gedacht, kommen andere Zeiten, sie wird das schon nachholen können.

Als ich jetzt die Kathedrale brennen sah, denke ich: Man weiß eben doch nie, was man verschieben kann. Und was nicht.

Unter Aufbietung aller Kräfte haben die Franzosen das Allerschlimmste verhindert, die Türme der Kathedrale stehen noch. Der Wiederaufbau wird dauern.

Aber ganz egal, wie lange: der Bau der Kathedrale hat viel länger gedauert. Und ist doch gelungen.