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Das Licht ist nicht weg, nur, weil wir es gerade nicht sehen

Es ist niederrheinneblig und nicht mehr ganz früh, als ich mit Jella durch die Felder streiche.

Nebelsonne am Morgenhimmel / © Patrick Pleul (dpa)
Nebelsonne am Morgenhimmel / © Patrick Pleul ( dpa )

Ich bin noch müde. Jetzt, wo die Tage so kurz sind, brauche ich morgens länger, bis ich alle meine Sinne beisammen habe. Und obwohl die Tage im Moment erst so spät beginnen, hat dieser hier schon angefangen, als ich mir die Hundeleine nehme und mit Jella vor die Türe trete.

Jella und ich tappen einfach nebeneinander her in den Nebel. Und es ist nicht Jella, die mehr tappt.

Wir sind gerade im Feld angekommen, als ich irgendetwas hinter mir aus dem Augenwinkel wahrnehme. Ich drehe mich über die rechte Schulter um und sehe ein orangerotglitzerndes Band. Ganz schmal liegt es oben auf dem Nebel, der am Horizont über den Feldern steht.

Kurz schaue ich der schönen Natur zu, dann lass ich das Bild hinter mir, tappe ein Weilchen weiter. Plötzlich bleiben zwei Frauen, die links von mir und weiter vorne im Feld ihre Hunde ausführen, stehen. Verstummen. Schauen gebannt hinter mich.

Auch ich drehe ich mich nochmal um. Was ich sehe, verschlägt mir den Atem.

Aus dem schmalen, roten Band ist eine goldrotglitzernde Halbkugel geworden, die hinter der Nebelwand wie hinter einem Vorhang aufsteigt. Durch den transparenten Vorhang strahlt und funkelt die Sonne.

Einzelne, lange, goldene Strahlen laufen über die Felder. Helle Punkte funkeln durch den Nebel wie durch Sprühregen. Und immer tiefer spiegelt sich die rote Halbkugel von über dem Vorhang in der Nebelwand darunter, bis ein zweigeteilter roter Feuerball am Himmel steht.

Wie aus dem Nichts ist ein spektakuläres Naturschauspiel entstanden. Weit entfernt stehen die Frauen und rühren sich nicht.

Ich selbst kann vor lauter Schönheit kaum atmen und bin ganz ehrfürchtig geworden.

Es ist, als wären die Felder mit einer gewaltigen Energie geflutet, die alles hell und licht macht. Und es ist, als hätte ich mitten im trüben, nebeligen Coronashutdown, in dem wir alle auf Sicht fahren müssen, eine Erinnerung vom Himmel persönlich gereicht bekommen.  

Denn ganz egal, wie nass, grau, trüb und sozial distanziert unsere Tage gerade sein müssen. Das Licht ist nicht weg, nur, weil ich es gerade mal nicht sehe. So schlicht, so wunderbar.

Ich jedenfalls bin jetzt wach. Hellwach. Und bleibe es für den Rest des Tages.