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Corona und das viele Verzeihen

Wahrscheinlich werden wir uns viel verzeihen müssen. Hat Jens Spahn im Frühjahr prophezeit.

Symbolbild Verzeihung / © fizkes (shutterstock)

Wie wahr dachte ich. Damals schon. Wahr oder wahrscheinlich fand ich das im Frühjahr vor allem deswegen, weil wir so wenig wussten.

Wer wenig weiß, aber schnell und viel entscheiden muss, kann leicht Fehler machen.

Jetzt finde ich, müssen wir uns eher viel verzeihen, weil wir so viel wissen. Und oft so wenig danach handeln.

Z.B. finde ich, dass sich viele Menschen bei Angela Merkel entschuldigen könnten. Sie hat schon im September 19 200 Infektionen zu Weihnachten prognostiziert, falls wir so weitermachten. Damals hat sie Hohn, Spott und Vorwürfe kassiert.

Viel zu verzeihen gibt es auch in der Geschichte, in der eine Enkelin, eine Erzieherin, nach Monaten ihre Großeltern wiedersehen wollte. Aber nicht wusste, dass sie sich im Kindergarten infiziert hatte. Die Großeltern sind dann beide krank geworden.

Oder im Falle eines Altenheims, in dem Mitarbeiter auf einer Weihnachtsfeier Lieder angestimmt haben. Jetzt pflegen sie fast nur noch Coronakranke.

Aber sicher kennen Sie genug eigene Coronageschichten, bei denen Verzeihen eine gute Idee ist.

Früher wurden diese Tage zwischen Weihnachten und Neujahr „zwischen den Jahren“ genannt. Mir kam es immer so vor, als würden die Tage zwischen den Jahren in einem Zeitspalt verschwinden und die Welt wie im 100-jährigen Dornröschenschlaf einfrieren.

Dieses Jahr macht der Lockdown den Zeitspalt besonders groß und tief. Und niemand weiß, wann wir alle aus diesem Dornröschenschlaf erwachen und das Leben wiederaufnehmen können.

Niemand weiß, was die neuen Zusammenschlüsse auf Social-Media im Netz und bei Demonstrationen auf der Straße zwischen Impfgegnern, Querdenkern, Verschwörungserzählern und Rechtsradikalen mit unserer Gesellschaft machen.

Niemand weiß, wie die Welt im Sommer aussieht.

Ziemlich sicher aber, werden wir uns viel verzeihen müssen. Darüber jetzt, in der Zeitspalte zwischen den Jahren in aller Ruhe nachzudenken – das wäre, finde ich, ziemlich wunderbar.