Alle Gutscheine ausverkauft

Schenken ist eine Kunst

"Hast Du denn schon eine Idee, was Tim sich wünscht?", frage ich den Großen, als der eine Geburtstagseinladung von Tim auf den Tisch legt. "Nur Gutscheine“.

 (DR)

"Aber das ist doch kein Geschenk", sage ich unwirsch. Ich will, dass meine Kinder das Schenken lernen. Über ihre Freunde nachdenken, sich überlegen, wann sie mal einen Wunsch geäußert haben. Ob ihnen ein Spiel bei uns besonders gut gefallen hat. Herausfinden, was dem anderen eben eine Freude macht.

Ja, natürlich können auch Gutscheine Freude machen. Wenn sie verbunden sind mit gemeinsamer Zeit, einem gemeinsamen Erlebnis. Aber Gutscheine? In der Grundschule? Aus dem einzigen Spielwarengeschäft im Ort?

Schenken muss man lernen. Üben. Wer brav "Gehe zu  Spielwaren Müllermeierschmitz und besorge mir einen Gutschein" ausführt, lernt Bestellungen entgegenzunehmen. Nicht die Kunst des Schenkens.

Also setze ich mich mit dem Großen hin. Erkläre, was ich unter schenken verstehen. Lass ihn überlegen, was Tim mag. Wann die beiden zusammen den größten Spaß haben, wann sie lachen. Wann beide glücklich vom gemeinsamen Spielen nach Hause gehen.

Dem Großen ist schnell klar: sie spielen zwar auch andere Dinge zusammen. Aber am glücklichsten sei Tim, wenn sie zusammen Fußball spielten. Ihm fällt ein, dass Tim schon ein paar Mal sehnsüchtig auf einen coolen, neonorangenen Fußball in der Betreuung geschaut hat. Ob er den denn kaufen könnte? Ich schlucke kurz, die coolen Bälle haben coole Preise. Aber dann nicke ich. Genau darum ging es mir schließlich.

Als der Geburtstag kommt, zieht mein Sohn mit einem Riesenpaket los. Der Große hat den Ball in immer neue Zeitungen gewickelt. Und am Ende einen Umzugskarton Drumherum gepackt. "Tim kommt nie drauf, was da drin ist!" sagt der Große stolz.

Und ich bin auf meinen Sohn stolz. Gerührt schaue ich ihm noch eine Weile hinterher. Schließe dann die Tür mit dem guten Gefühl, endlich mal mit meiner Erziehung dem Untergang des Abendlandes etwas entgegengesetzt zu haben.

Fünf Stunden später hole ich den Großen wieder ab. Während der sich aus dem Rudel von 8jährigen knäuelt, kommt die Mutter des Geburtstagskindes, fragt verwundert: "Das war ja total süß mit dem Karton. Aber warum hat dein Sohn ihn mit den Worten überreicht: Bei Spielwaren Müllermeierschmitz waren leider alle Gutscheine ausverkauft?"