Aber dann hättest du doch gar nicht gelebt!

Leben ohne Vorspulen

Manchmal hätte ich gerne eine Forwardtaste im Leben: So einen praktischen kleinen Pfeil am CD-Player, der einfach vorspult. Genausowas wünsche ich mir jetzt, im November.

 (DR)

Nass, kalt, dunkel.  Bah, ich brauche das nicht. Wie so viele andere Dinge. Den Computervirus, mit dem Hacker meinen Browser kapern. Schienenersatzverkehr. Schon wieder! Regen, wenn ich Fahrradfahren will.

Oder die Pubertätswaffen, die in diesem Haus immer noch gewetzt werden. Auch wenn der Jüngste jetzt  mit ihnen wirft und ich schon einige Erfahrung im Parieren gewonnen habe -  so richtig "Spaß" machen Sätze wie:  "Warum  habe ich  nur Euch als Eltern bekommen“ oder "Wenn du so weiter machst, bist du nicht mehr meine Mutter“ immer noch nicht.

Wenigstens kann ich heute schneller darüber lachen. Ertappe mich aber doch, dass ich mich nach so einer Vorspultaste im Leben sehne: einmal Klick und ich stehe ganz vorne in der langen Schlange. Oder einmal Klick und die eingeschleppte Erkältung ist ausgeheilt. Den nasskalten November klicke ich mal als allererstes weg.

Wenn ich viel Glück habe, fällt mir in dieser Wegklick -Stimmung ein Satz ein, den mir mein Großer mal ins Herz geworfen hat.

Wehmütig saß ich am letzten Urlaubstag am Meer. Wusste, dass mir lauter unangenehme Dinge bei der Heimkehr bevorstanden. Stöhnte, warum denn nicht einfach das Jahr vorbei und wir wieder am Meer sein könnten. Entrüstet hörte ich daraufhin: "Aber Mama – dann hättest du das Jahr doch gar nicht gelebt“.

Der Punkt ging an den Großen. Wie ich es geahnt hatte, wurde es damals ein hartes Jahr.  Aber es deswegen gleich gar nicht erleben?

Während ich diesen Text schreibe, und das ist die wahre Wahrheit, klingelt der Postbote, bringt mir eine knallbunte Karte: Auf herbstlichem Gelb tanzen leuchtend bunte Fantasieblumen im Kreis. Hinten drauf steht: "Ich wünsche Dir einen schönen Herbst". Ich staune: Das hat mir noch nie jemand gewünscht. Geschweige denn, dass ich jemandem mal einen schönen Herbst gewünscht hätte.

Schade eigentlich. Aber das lässt sich ja ändern:

Ich hoffe, Sie haben einen schönen Herbst. Einen wunderschönen!