Wort des Bischofs

Entwurzelt

Migrant, Asylsuchender, Binnenvertriebener - die rechtlich-politischen Bezeichnungen unterscheiden sich. 50 Millionen Betroffene sind jedoch vor allem eines: Kinder. Christen dürften hier nicht wegsehen, meint Kardinal Woelki.

 (DR)

Kinder haben es gut. Zumindest wenn sie bei uns oder in anderen wohlhabenden Regionen dieser Erde geboren werden. Dann haben sie in der Regel ein eigenes Kinderzimmer, oft vollgestopft mit Unmengen von Spielzeug. Eine perfekte medizinische Versorgung,  natürlich immer genug zu Essen und oft schon in frühesten Jahren ein eigenes Handy, sonst werden die Eltern terrorisiert, weil ja "alle anderen Freundinnen und Freunde auch eins haben".

50 Millionen Kinder können von dieser schönen Kinderwelt leider nur träumen. Sie sind entwurzelt, heimatlos. Bisweilen sogar ohne ihre Eltern auf völlig verlorenem Posten. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat ganz aktuell wieder besorgniserregende Zahlen veröffentlicht: 28 Millionen Kinder sind auf der Flucht vor Kriegen und Konflikten – weitere 22 Millionen entwurzelte Kinder fliehen vor Terror, Gangs, Armut und Ausweglosigkeit. Christen dürfen hier nicht wegsehen. Wenn man sich selber christlich-sozial nennt, geht das erst recht nicht.

"Was ihr dem geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das hab ihr mir getan!“ Dieses Programm Jesu macht deutlich, dass wir niemanden am Rand stehen und zurücklassen dürfen. Schon gar nicht unsere Kinder. Es reicht aber nicht, nur betroffen zu sein, wenn man ein ertrunkenes Flüchtlingskind an der türkischen Küste in den Händen hilfloser Helfer sieht. Es reicht nicht, wenn man das schreckliche Bild nur bei Facebook teilt. Es kann auch nur ein Anfang sein, Süßigkeiten und Kuschelteddys an Bahnhöfen zu verteilen. Gott will, dass kein einziges seiner Kinder durch unsere politischen Machtspielchen, durch unsere Habsucht und unseren Egoismus verloren geht.

Danken möchte ich daher allen, die Not sehen und handeln. Die Kinder liebevoll aufnehmen und wie ihre eigenen Kinder behandeln. Ganz gleich, ob Pflegeeltern deutsche Kinder aus Heimen aufnehmen oder Flüchtlingskinder zur Schule bringen und ihnen unsere Sprache beibringen. Überall, wo auf dieser Welt Menschen ihr Herz öffnen und entwurzelten Kindern ein neues Zuhause geben, da öffnet sich der Himmel schon auf Erden.

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln


Quelle:
DR