Wort des Bischofs

Im Garten der Religionen

Ein ehemaliger Klostergarten wurde vom Katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit IN VIA zu einem "Garten der Religionen" umgestaltet. Kinder und Jugendliche kommen hier ins Gespräch über ihre Religionen. Und Kardinal Woelki war zu Gast.

 (DR)

Es gibt hier in und um Köln herum viele schöne Parks und Gärten. Der Garten, in dem ich mich gerade befinde, ist ein ganz besonderer. Hier im „Garten der Religionen“ geht es um gegenseitige Wertschätzung und um den Dialog. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „in via“, unserem katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit, wissen, wie wichtig dieser Garten für ihre tägliche Arbeit ist. Immer wieder begegnen sie in ihrer alltäglichen Arbeit Menschen unterschiedlicher religiöser und kultureller Herkunft. Da prallen dann oft Welten aufeinander, und es kommt schnell zu vielfältigen Spannungen.  In den verschiedensten Projekten entdecken Kinder und Jugendliche ihre unterschiedlichen Wurzeln und kommen gerade hier im Garten miteinander ins Gespräch. Wer aber im Gespräch und im Dialog ist, der versteht sein Gegenüber und der sieht, trotz aller Unterschiede die da sind, das Gemeinsame. 

Auch wir als Katholische Kirche mussten uns in den vergangenen Jahrzehnten ganz neu auf den Weg machen. Oft gab es in unserer langen Geschichte Auseinandersetzungen – ja sogar Kriege um den rechten und richtigen Glauben. Vor genau 50 Jahren wurde in Rom dann aber nicht nur eine Erklärung über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen unterzeichnet, nein, wir haben uns als Christen ganz neu auf den Weg gemacht, um auch im Dialog und im Gespräch zu erkennen, dass wir alle Töchter und Söhne unseres einen gemeinsamen himmlischen Vaters sind. Wir alle sind, völlig unabhängig von unserer Herkunft, von unserer Rasse und unserer Hautfarbe oder von unserer Religion, einander Schwestern und Brüder. Wir sind gemeinsam hier auf Erden unterwegs, und wir sind füreinander verantwortlich. Deshalb dürfen wir auch einander niemals ausschließen und erst recht nicht einander diskriminieren. Viel zu oft haben in der Geschichte der Menschheit Fanatiker und Extremisten die Religion genutzt, um Hass und Zwietracht zu säen – bis in diese Stunde hinein. Wer hier durch den Garten geht, der kann spüren, was passiert, wenn Verständnis und Liebe gesät werden. Es erblüht ein neues Leben in Hülle und Fülle, wenn wir Menschen nur bereit sind, im jeweils anderen nicht den Fremden und erst recht nicht den Feind zu sehen, sondern die Nachbarin und die Schwester, den Freund und den Bruder.

Ich möchte Sie heute gerade zu dieser Entdeckungsreise einladen. Denn nicht nur hier im Garten der Religionen in Köln ist es immer wieder neu möglich, zu entdecken, dass wir alle Töchter und Söhne unseres einen gemeinsamen himmlischen Vaters sind und wir in seiner Liebe geborgen und verbunden sind – für immer und ewig.

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln