Wort des Bischofs

Was wirst Du tun, Gott, wenn ich sterbe?

In seinem Bischofswort widmet sich Kardinal Woelki dem Herbst. Kalendarisch sind wir in der Jahreszeit bereits angekommen, der Kölner Erzbischof blickt jedoch auch auf den "Herbst des Lebens" - den persönlichen und den vieler Mitmenschen.

Rainer Maria Kardinal Woelki (DR)
Rainer Maria Kardinal Woelki / ( DR )

"Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß!", so ruft der Lyriker Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht "Herbsttag". Rilke hat mich schon wegen des gleichen Vornamens immer interessiert. Doch Rainer Maria Rilke war nun alles andere als ein glühender Gottesverehrer. In vielen Texten setzt sich der große deutsche Dichter gar sehr kritisch mit Gott und dem Glauben auseinander. Im Gedicht "Herbsttag" spricht er Gott so auch eher als reinen Wettergott an, der die letzten Früchte des Sommers reifen lassen soll.

Im Herbst des Lebens ziehen viele Menschen Bilanz. Fragen sich, ob ihr Leben "groß" – vielleicht gar bedeutend war. Immer aber kommt dann unausweichlich auch die Frage, was denn uns Menschen am Ende unseres Lebens erwartet. Auch Rilke fragte sich das:

"Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe? Ich bin dein Krug, wenn ich zerscherbe? Ich bin dein Trank, wenn ich verderbe?"

Wie bei vielen Menschen wissen wir auch bei Rilke nicht, wie er die Frage nach Gott für sich am Ende ganz persönlich beantwortet hat. Ich aber kann Ihnen meine ganz persönliche Antwort schon heute geben: Wenn ich hier im sonnigen Herbstgarten meine Bilanz ziehen sollte, dann glaube ich nicht, dass mein Leben "groß" war oder ist. Aber ich glaube, dass jedes Lachen und jede Liebe, die ich einem anderen Menschen ins Herz, in seine unsterbliche Seele legen konnte, niemals verloren sind. Ich glaube ebenso fest daran, dass Gott am Ende meines Lebens auf mich wartet, ganz egal, wie viele Fehler ich hier auf Erden auch gemacht habe oder noch machen werde.

Diese Hoffnung habe ich übrigens nicht nur für mich – sie gilt für alle Menschen. Ich bin mir ganz sicher, dass Gott am Ende unserer Tage für jeden von uns einen Platz bereit hält. Das ist unsere wunderbare, urchristliche Botschaft! Aber ich gebe auch gerne zu, dass ich ganz froh wäre, wenn Gott mir noch viele große Sommer und sonnige Herbsttage schenken würde.

Ihr Rainer Woelki

Erzbischof von Köln