Totalausbeutung virtuell

Arbeiten in der digitalen Welt

Wie wird die Digitalisierung unsere Arbeitswelt verändern und Arbeitnehmerrechte und Solidarität aushöhlen? Bundesarbeitsministerin Nahles hat dazu jetzt ein Weißbuch vorgelegt. Christliche Sozial- und Arbeitsmarktexperten nehmen das Papier unter die Lupe und stellen arbeitnehmerfreundliche Konzepte vor.

Computer (dpa)
Computer / ( dpa )

Höhere Produktivität und mehr Arbeitsplätze: Die Vorteile der Digitalisierung liegen auf der Hand. Dabei spielt nicht nur die Industrie 4.0 eine wichtige Rolle – eine Industrie, in der alles und jeder miteinander vernetzt wird und miteinander kommunizieren kann. Auch die Zahl der virtuellen Jobs wird stark steigen – mit drastischen Folgen für die Arbeitnehmer.

Sogar die Kanzlerin spricht von "disruptivem Prozess"

Mitte November beim IT-Gipfel brachte es Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Punkt: "Das ist eine wahnsinnige Veränderung. Wie von der Manufakfaktur der Güter hin zu der industriellen Produktion ändert sich  jetzt nochmal alles." Arbeitsabläufe werden sich  verändern und ganze Branchen und Arbeitsplätze bedrohen und überflüssig machen. Auch Bundearbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will in ihrem neuen Weißbuch Digitalisierung die soziale Absicherung von abhängig Beschäftigten wie auch Selbständigen erhalten, ohne den digitalen Fortschritt zu behindern. Reichen ihre Vorschläge aus – vor allem für die, die in prekären Arbeitsverhältnissen stecken oder sich als "Click-Worker" verdingen, die Tag für Tag im weltweiten virtuellen Raum auf Jobsuche gehen? 

Das "Soziale" in der  Marktwirtschaft wird abgebaut

Der Sozialstaat garantiert jedem Bürger ein Mindestmaß an Schutzrechten – auch und gerade als Arbeitnehmer: Sei es der Kündigungsschutz, Versorgung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld, oder die paritätische Finanzierung von  Kranken- und Rentenversicherung. Nur: Click-Worker oder digitale Nomaden haben nicht einen einzigen Arbeitgeber sondern ganz viele, noch sind sie sozial abgesichert. Selbst privat für Krankheit und Rente vorzusorgen gelingt ihnen nicht: die niedrigen Tageslöhne machen sie zu Tagelöhnern in der digitalen Welt, die von der Hand in den Mund leben und sich zudem – da weltweit tätig, nicht gewerkschaftlich organisieren oder mit anderen Kollegen solidarisieren, um ihre Arbeitnehmerrechte zu wahren, die sie gar nicht mehr haben!

Der kleine Mann bald ohne Job?

Eine immer differenziertere Fertigung benötigt auch besser ausgebildete Mitarbeiter. Einfache Tätigkeiten dagegen werden dem billigeren Kollegen Computer geopfert. Aber: Reicht bessere Bildung allein aus, um sozial abgesichert zu sein? Oder müssen wir uns künftig einfach damit abfinden, dass sich Unternehmen zunehmend aus ihrer sozialen Verantwortung für die Arbeitnehmer stehlen? Wie kann dann noch von einem gesicherten Lebensstandard gesprochen werden? Und nicht zuetzt: Droht eine wachsende Kontrolle von Arbeitnehmern, wenn Arbeitsabläufe auf Schritt und Tritt überwacht werden und man ständig erreichbar sein muss? Wie können Arbeitnehmerorganisationen hier gegenhalten, die derzeit eher Mitglieder verlieren als neue dazuzugewinnen? Über diese und andere Fragen diskutieren:

 

Oskar Obarowski, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft christlicher Arbeitnehmerorganisationen ACA (www.aca-online.de)

Dr. Michael Schäfers, Vorstandsmitglied bei der Stiftung Zukunft der Arbeit und sozialen Sicherung ZASS (www.stiftung-zass.de)        

Hörer können mitdiskutieren: Tel.: (0221) 25886-0