4. So. n. Trinitatis - BWV 177

Bachkantate am 05. Juli

Die Uraufführung der Kantate, die Johann Sebastian Bach für den heuten 4. Sonntag nach Trinitatis komponiert hat, war das Jahr 1732. Als Text wählte Bach den unveränderten Wortlaut des Liedes "Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ", das Johann Agricola im 16. Jahrhundert komponiert hat. Das heißt: Bei der heutigen Kantate handelt es sich um eine sogenannte Choralkantate. Bach nimmt das Kirchenlied zur Grundlage, formt die 1. und die letzte Strophe des Liedes zu Chorsätzen und die Strophen 2-4 zu Arien. Auf Rezitative verzichtet Bach bei dieser Kantate völlig.

 (DR)

Der Eingangschor hat eine für die meisten Choralkantaten ganz typische Form: Der Choral wird zeilenweise vom Chor vorgetragen; die Melodie liegt im Sopran. Eingefügt ist der Choralsatz in einen thematisch selbständigen Orchesterpart, der zu 2 Oboen, Streichern und Continuo eine konzertierende Solovioline verlangt.

In den drei Arien erfährt die Instrumentalbesetzung eine allmähliche Steigerung vom einfachen Continuosatz über den Triosatz mit Oboe bis hin zum Quartettsatz mit Violine und Fagott, einer durch ihre Seltenheit sehr reizvollen Besetzung. Zugleich entfernt sich die Thematik immer weiter von der Choralmelodik. Im 2. Vers ist die Anfangszeile noch gut zu erkennen.

Im 3. und 4. Vers ist von der Melodie des Chorals hingegen kaum noch was übrig geblieben: Lediglich der abwärtsgerichtete Terzsprung zu Beginn der Verse stellt hier noch eine Verbindung her.

In Satz 4 umspielen Solovioline und Fagott die Singstimme in freudiger Gelöstheit, die nur auf die Worte "vom Sterben" vorübergehend, aber um so eindrucksvoller getrübt wird.

Der Schlusschoral ist als einfacher vierstimmiger Chorsatz komponiert und doch mit Hilfe von Verzierungen in seiner Ausdruckskraft gesteigert und aufgelockert.

Wie seine Amtsvorgänger trug Bach die Verantwortung für die gottesdienstliche Musik in allen vier Leipziger Hauptkirchen. Die in der Thomasschule wohnenden Internatsschüler, die sich ihr Stipendium durch regelmäßiges Chorsingen verdienen mussten, wurden zu diesem Zweck in vier Kantoreien eingeteilt, die von Bach und seinen Assistenten geleitet wurden. Eine ganz besondere Zuständigkeit hatte Bach für die beiden großen Kirchen: St. Nicolai und St. Thomae, für die ihm die besten Sänger sowie die vom Rat der Stadt angestellten Stadtmusiker als Instrumentalisten zur Verfügung standen. Um nun die Aufgabe erfüllen zu können, beide Kirchen einigermaßen gerecht zu bedienen, wechselten die Kantatenaufführungen des ersten Chores unter Bachs Leitung von Sonntag zu Sonntag zwischen diesen beiden Kirchen. Und Bach musste die Kantaten ja nicht nur aufführen, sondern auch selbst komponieren. Also: Jede Menge zu tun für den Thomaskantor.

BWV 177: "Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ"
Tölzer Knabenchor, Concentus musicus Wien
Leitung: Nikolaus Harnoncourt
Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995