2. Sonntag n. Trinitatis - BWV 2

Bachkantate am 01.06.2008

"Ach Gott, vom Himmel sieh darein": So hat Bach seine Kantate für den heutigen 2. Sonntag nach Trinitatis überschrieben und auch bei dieser Kantate handelt es sich um eine sogenannte Choralkantate. Das heißt: Zu Grunde liegt ihr ein zur damaligen Zeit bekanntes Kirchenlied, nämlich Martin Luthers Nachdichtung des 12. Psalms, eine Klage über die Abkehr der Menschen von Gott und ihre Verführung zu gottlosem Leben durch ketzerische Lehren. Anfangs - und Schlussstrophe sind dabei wortwörtlich übernommen, die Strophen in der Mitte des Liedes sind zu je einem Rezitativ- oder Ariensatz umgedichtet worden.

 (DR)

Bachs Komposition ist zum 18. Juni 1724 entstanden und ist damit die zweite im Jahrgang der Choralkantaten. Mitbestimmend für die Gestaltung des Eingangschores war die Absicht Bachs, den Beginn des Jahrgangs durch charakteristische Abwandlung der Anfangssätze hervorzuheben. So hat Bach den Eingangssatz der Kantate des letzten Sonntags im Stile einer französischen Ouvertüre komponiert. Am heutigen Sonntag wählt er das klassische Muster einer Cantus-firmus-Motette. Das heißt: Die Melodie wird in langen Notenwerten vom Alt vorgetragen.

Der 2. Satz ist als schlichtes Rezitativ komponiert. Doch werden die beiden choralverwandten Textzeilen als Arioso vertont und die dazugehörige Melodie nicht nur von der Singstimme mitübernommen, sondern sogar vom Continuo als Kanon aufgegriffen. Dieser Satz lehnt sich mit dem Gedanken an die Gräber, die "nur Stank und Moder in sich fassen" an den Evangelisten Matthäus an, bei dem es im 23. Kapitel heißt: "Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr seid wie die Gräber, die außen weiß angestrichen sind und schön aussehen. Innen aber sind sie voll Knochen, Schmutz und Verwesung."  Spezielle Anspielungen auf das Sonntagsevangelium finden sich übrigens nirgends in dieser Kantate.  Dem zweiten Satz, dem Rezitativ, folgt die Arie "Tilg, o Gott, die Lehren", der auffallend modern gestaltet ist. Und "modern" meint in der damaligen Zeit: Konzertant, mit lebhaften Figuren in der Solovioline.

Das folgende Rezitativ "Die Armen sind verstört" ist von Streichern begleitet. Seine Mittelpartie, in der von der Erhörung des Flehens durch Gott die Rede ist, geht wiederum ins Arioso über.

Die folgende Arie "Durchs Feuer wird das Silber rein" wird von 2 Oboen und Streichern getragen. Die ständig auftretenden gegenläufigen Melodielinien sollen auf die Umkehr des durch das Kreuz geläuterten Christen hinweisen. Leider sind diese Gegenbewegungen nur schwer zu hören.

Die letzte Choralstrophe, der letzte Satz der Kantate, ist in einem schlichten vierstimmigen Chorsatz vertont und damit endet dann auch das Werk.
BWV 2: "Ach Gott, vom Himmel sieh darein".
Wiener Sängerknaben, Concentus musicus Wien. Leitung: Nikolaus Harnoncourt.

Quelle/ Literatur: Alfred Dürr: Die Kantaten Johann Sebastian Bachs. Bärenreiter, 1995