Morgenimpuls von Schwester Katharina

Alle Menschen sind Kinder Gottes!

Eine Mitschwester berichtet Schwester Katharina von ihrem Praktikum in der Seelsorge für Menschen auf der Straße in Köln. Beeindruckt stellt sie fest, dass die Mitschwester in dieser Zeit viel von sich selbst gegeben hat – aber ihr ebenso viel gegeben wurde.

Obdachloser bittet um Hilfe / © Apiwan Borrikonratchata (shutterstock)
Obdachloser bittet um Hilfe / © Apiwan Borrikonratchata ( shutterstock )

Vor ein paar Tagen hab ich eine Mitschwester von einem Praktikum abgeholt. Sie hatte einen Monat in der Seelsorge für die Menschen auf der Straße in Köln mitgearbeitet und viel erlebt. Eine andere Schwester hat ihren Geburtstag mit den Obdachlosen gefeiert und wir waren auf dem Heimweg. Nachdem es eine ganze Weile ganz still war im Auto, hab ich gefragt, wie es ihr geht. Sie hat geantwortet: "Es geht mir gut, aber im Moment bin ich ganz leer." Wir sind noch eine Weile schweigend gefahren und dann hat sie begonnen zu erzählen von all den Männern und Frauen, denen sie in diesen Wochen zur Seite stehen konnte: den Alkoholkranken und den Junkies, den psychisch und physisch schwer angeschlagenen Menschen und denen, die sich in Wahnideen und Wunschbilder geflüchtet haben, um die Situation, in der sie leben müssen, irgendwie zu ertragen. "Im Moment bin ich ganz leer", hat die Mitschwester gesagt.

Sie hat in diesen Wochen alles gegeben, was ihr möglich war: ein Lächeln für Verzweifelte, Adressen für Hilfesuchende, eine Plauderei auf dem Bordstein sitzend, Käse und Brot und manchmal auch Kuchen teilend, den Listeneintrag für die Corona-Impfung, den Meinungsaustausch über die Fehltritte der Kirchenleute, das Gespräch über den wohl guten Gott, wenn doch die Welt so böse ist, ein Bibelgespräch mit Menschen, denen sonst im normalen Alltag niemand zuhört, Suppe und Kaffee und ihre ungeteilte Zuwendung.

Sie hat gegeben, was sie konnte, aber sie hat auch viel bekommen, hat sie erzählt: eine ungeschminkte Einschätzung des realen, rauen und harten Alltags einer Großstadt, Einsichten über die Liebe und das Leben von Menschen, die sich nach Liebe und Leben sehnen und eine Art über diesen so fernen und doch nahen Gott zu denken und zu philosophieren, wie es an keiner Universität gelehrt wird. Sie hat Lebensweisheit geschenkt bekommen und eine Art Vorschuss an Vertrauen, weil sie in Habit und Schleier zu denen gehört, die sich kümmern und doch die Menschen nehmen, wie sie sind, als Kinder Gottes, die unter seinem Segen stehen.


Quelle:
DR