Oper "Benvenuto Cellini" von Hector Berlioz in Köln

Der Künstler, der sich alle Freiheit nahm

Im fantastischen Taumel surrealer Artistennummern entspinnt sich die Geschichte des unbeherrschten, freiheitsliebenden Bildhauers Benvenuto Cellini, der selbst dem Papst, seinem Auftraggeber, die Stirn bietet.

Benvenuto Cellini / © Paul Leclaire
Benvenuto Cellini / © Paul Leclaire

Der freiheitsliebende Künstler Benvenuto Cellini liebt das Leben, den Wein mit Freunden und  Teresa, die Tochter des eifersüchtigen Papst-Schatzmeisters Balducci. Im italienischen Karnevalstreiben entführt Cellini seine Teresa gegen den Willen des Vaters und begeht sogar einen Mord. Auch sein Konkurrent und Nebenbuhler, der klebrig-aufgeblasene Fieramosca, will ihm an den Kragen. Derweil wartet der Papst, sein Auftraggeber, auf die Fertigstellung einer Perseus-Statue.

Turbulent-fantastisch

Der katalanische Regisseur Carlos Padrissa bettet diese Geschichte in ein futuristisch-poetisches Ambiente. Teresa wohnt in einer halboffenen Kugel, die an eine Mondlandekapsel mit Venusmuschelambiente erinnert. Fantastische Gestalten schweben schlingernd über dem Geschehen, rollen in durchsichtigen Plastikkugeln über die Bühne oder bewegen sich als organische Skulpturen in übergroßen rollenden Aufbauten.  Fantastische, zeitlose, symbolische Zwischenwelten mit turbulenten Choreinsätzen, die von der Autobiographie von Cellini inspiriert sind, erklärt der katalanische Regisseur Padrissa: "Wir lieben die Autobiographie von Cellini, denn die ist viel interessanter als das Libretto." Textzitate aus der Autobiographie werden auf durchsichtige Leinwände und den Bühnenboden projiziert und in surrealen Choreographien umgesetzt. Der nackte Jesus am Kreuz zum Beispiel weist darauf hin, dass Cellini als Erster Jesus so dargestellt habe, erklärt Padrissa.

Der Künstler und sein Mäzen, der Papst

Dieses Treiben findet ihren Höhepunkt in dem Auftritt des Papstes, der wie eine Skulptur aus Gold hoch oben auf einem schwarzen Obelisken ins offene Atelier von Cellini gerollt wird. Für Padrissa ist diese Figur ein Symbolbild für die Macht des Geldes in der Kunst: „Es geht hier um die Beziehung zwischen Kunst und den Kunstmäzenen, die bis heute eine Rolle spielt. Cellini ist der Künstler, der sich aufopfert, und ihm gegenüber steht Fieramosca, dem es nur um die Vermarktung der Kunst geht“. Cellini, vom letztendlich recht geduldigen kunstsinnigen Papst unter Druck gesetzt, lässt alle seine Kunstwerke einschmelzen, damit er die Perseus-Statue vollenden kann, und nicht jemand anders. Am Ende begnadigt der Papst den unbeherrschten wie freiheitsliebenden Künstler Cellini, dem seine Kunst wichtiger ist als die Moral. Teresa darf er in seine Arme schließen.

Jubel und kritische Stimmen

Das Staatenhaus hinter dem Kölner Tanzbrunnen war Schauplatz einer umjubelten Premiere. Manchen war die überbordende Bühnenshow von Padrissa und seinem Team etwas zu viel. Doch der neue Kölner Generalmusikdirektor und Gürzenich-Kapellmeister Francois-Xavier Roth hat mit Leidenschaft und Sinn für die zarten Töne diese Oper dirigiert. Cellini ist für ihn ein Held der freien Künste: "Ein Plädoyer für die Kunst und was soll Kunst für unsere Gesellschaft sein. Kunst soll wieder etwas Starkes in unserem Leben sein, nicht etwas Dekoratives, sondern tief in unserem Leben." Auch der Kunsthistoriker und Direktor des Kölner Museums Ludwig Yilmaz Dziewior hat sich die Opernpremiere angesehen. Er blickt kritisch auf den Künstler Cellini: "Als Künstler durfte er sich alles herausnehmen, er durfte morden, er durfte die wildesten Dinge machen. Und es wurde ihm immer vergeben, weil die Qualität der Kunst so bedeutend ist. Ich sehe das aus meiner heutigen Perspektive anders, weil ich es gerade bei bildenden Künstlern faszinierend finde, wenn sie ein ethisch-rechtliches Bewusstsein haben."