Kirche2Go: Evangelische Räte

Frei sein – für Gott

Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam – diese drei werden in der Kirche die Evangelischen Räte genannt. Wer in der Nachfolge Christi aufs Ganze gehen will, ist angehalten, so zu leben.

Zwei Ordensleute klatschen sich ab / © Cristian Gennari (KNA)
Zwei Ordensleute klatschen sich ab / © Cristian Gennari ( KNA )

Die Evangelischen Räte heißen nicht so, weil sie etwa eine Besonderheit der evangelischen Kirche wären. Evangelisch bedeutet hier, dass sie sich aus den Evangelien herleiten lassen – also von den biblischen Berichten über das Leben Jesu. Nach dem Zeugnis der Evangelien lebte Jesus nämlich genauso: in Armut, ehelos und gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Wer sich ganz in die Nachfolge Jesu begeben möchte, findet daher in diesen evangelischen Räten eine konkrete Empfehlung. Pfarrer Gerhard Dane, der selbst diese Lebensform in der Nachfolge Christi gewählt hat, betont, dass es sich hier um Empfehlungen, um Ratschläge handelt. Er spricht auch von den drei "Losigkeiten": "Ich soll etwas los lassen, um frei zu werden für das Wichtigste, nämlich für meine innige Verbindung mit Gott und dem freien Verfügbar-Sein für seine Menschen."

Empfehlungen für ein Leben in inniger Verbindung zu Gott

Der Pfarrer spricht von Befreiung, dabei klingen die Evangelischen Räte im ersten Eindruck eher nach auferlegten Entbehrungen. Verständlich werden sie nur aus der Erfahrung eines geistlichen Lebens, eines Lebens mit Gott. Je tiefer man dabei in das Geheimnis Gottes eintauchen möchte, desto notwendiger wird es, innerlich frei zu bleiben. Das haben schon die Gottsucher früherer Jahrhunderte entdeckt. Und dass das Leben Abhängigkeiten bietet, die dieser inneren Freiheit schaden können: Ein Leben in Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit wurde so als der ideale Weg verstanden, dem Anruf Gottes eine Antwort zu geben. Aber nun der Reihe nach: warum ist die Armut dazu hilfreich? Pfarrer Dane erklärt, wie er dies in der Gemeinde verdeutlicht:

"Wenn ich in der Kindermesse über Armut rede, marschiere ich bei der Katechese immer mit mehreren Koffern ein, an jeder Hand zwei und noch einen Rucksack... und die Kinder lachen sich kaputt. Und dann sage ich: 'Seht ihr, das ist ein Reicher. Der klammert sich an Sachen und wird unbeweglich. Er hat die Hände nicht mehr frei und kann dann nicht mehr richtig empfangen, umarmen...' Der Rat des Evangeliums ist: Mach dich unabhängig vom Geld und Gut, Besitz und Versicherung."

Mach dich unabhängig und höre nicht nur auf dich

Ist der Reichtum erst mal da, geht das Bestreben oftmals dahin, ihn zu sichern oder auszubauen. Besitz bekommt dadurch einen Wert, der Gott und seine Ewigkeit in den Hintergrund rücken lässt, da der Reichtum den Focus vor allem auf das Hier und Jetzt legt. Ganz ähnlich ist es beim Rat des Gehorsams. Hier geht es darum, die eigenen Pläne nicht über alles zu stellen. Wer eine solche Haltung einübt, zeigt sich offen für den Plan Gottes, der manchmal die eigenen Vorstellungen durchkreuzt. Doch Pfarrer Dane stellt klar, dass es beim Gehorsam nicht darum geht, keine eigenen Wünsche zu haben, "aber ich bin nicht gekettet an meine Lebensplanung und meine Einsichten. Ich mache mich los von meiner sicher auch begrenzten Einsicht und höre hin: Was sagen die anderen, was sagt mein Chef und was sagt durch die alle vielleicht Gott zu mir."

Das Bestreben Gott und die Suche nach seinem Willen für mein Leben in den Mittelpunkt zu stellen führt schließlich zum verbliebenen Rat der Ehelosigkeit. In einer Partnerschaft nimmt der Partner als Gegenüber den ersten Platz ein. Um des Himmelreiches willen ehelos bleiben, nennt Jesus im Evangelium sein  Kontrastprogramm: Doch um die innere Haltung dahinter klar zu machen, spricht man statt der Ehelosigkeit auch von der Keuschheit. Und keusch kann man richtig verstanden auch in der Ehe sein, meint Pfarrer Dane. "Keuschheit in der Ehe heißt: ich lasse dich in Ruhe und gebe dir ein Gute-Nacht-Küsschen, wenn dir heute nach mehr nicht ist. Keuschheit in der Ehe heißt: Ich habe vor dir Ehrfurcht, wir gehen behutsam miteinander um und meinen nicht, das, was wir hier jetzt miteinander leben in aller Vertrautheit und Zärtlichkeit sei schon der Himmel."

Alles ist vorläufig - Das ganz Große kommt erst noch

Denn auch wie bei der Armut und dem Gehorsam geht es hier darum, die Wirklichkeit des kommenden Lebens bei Gott wachzuhalten und die Überzeugung: Das Irdische, und sei es noch so verlockend, bleibt nicht auf Dauer und vor allem ist es nicht das Endgültige. Das Kommende, so der Glaube dahinter, wird dies alles übertreffen. In einem Leben nach den evangelischen Räten zeigt der Mensch damit auch seine Offenheit für das je-Mehr des Geheimnisses Gottes. Pfarrer Dane sagt, das alle, die sich bemühen, von den evangelischen Räten wenigstens etwas zu leben, damit in gewissem Sinne Werbung für die Zukunft machen. "Sie sagen durch ihr Leben: 'Was hier angeboten wird, ist noch nicht alles und vorläufig. Das ist spätestens an deinem Sterbetag vorbei. Aber damit ist eben nicht alles vorbei.' Diese Überzeugung wach zu halten, ist der Sinn der evangelischen Räte."