Aschermittwoch der Künstler

"Kunst als Verbündete bei der Interpretation der Welt"

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat die Bedeutung der Kunst für die Gesellschaft hervorgehoben. Von ihrer ehemals sakralen Funktion habe sie sich emanzipiert, sagte Woelki in einem Gottesdienst zum "Aschermittwoch der Künstler".

Kardinal Woelki am Aschermittwoch (DR)
Kardinal Woelki am Aschermittwoch / ( DR )

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat Künstler von heute mit den Propheten der Bibel verglichen. In einer entzauberten Welt, einer Kultur der Gleichgültigkeit und des Achselzuckens seien Propheten von Gott berufen, schmerzende Wunden zu berühren und an Gerechtigkeit zu erinnern, sagte der Kardinal in seiner Predigt am Aschermittwoch der Künstler.

Sich einem Propheten verbunden, vielleicht sogar verwandt zu fühlen, falle "einem Künstler - auch einem der an Gott nicht glaubt - vermutlich gar nicht so schwer", so Woelki. Dazu gehöre das Gefühl von Einsamkeit sowie auch die Erfahrung, nicht anders reden, schreiben, komponieren oder malen zu können. Der glaubende wie der künstlerische Mensch seien leidenschaftlich berührt und inspiriert von etwas, "das größer, das mächtiger ist als man selbst und das Gestalt und Form werden will", so der Kardinal.

Künstler wie Propheten müssten die Absurdität und das Schweigen der Welt aushalten, sagte Woelki weiter. Und trotzdem: "Man muss weiterkämpfen, kämpfen bis zum Umfallen, auch wenn die ganze Welt den Arsch offen hat, oder gerade deswegen", zitierte der Erzbischof Konstantin Wecker, "einen der großen deutschen Liedermacher". Zugleich entschuldigte er sich für "die rüde Sprache, aber aseptisch ist die Welt auch ästhetisch nicht zu fassen".

Weiter verwies der Kardinal auf die Schwierigkeit des Künstlers wie auch des Christen, einen Anfang zu finden, "sich Gott zuzuwenden", sagte er mit Blick auf die beginnende Fastenzeit. Die Frage nach Sinn und Bedeutung des Lebens, die auch die Religion bewege, sei so aktuell wie lange nicht in der weltweiten Kunst. Hier gehe es etwa um den Umgang mit der Schöpfung, die Schaffung von weltweiter Bildungsgerechtigkeit oder das um sich greifende Diktat der Beschleunigung.

Die Kunst habe sich heute endgültig von ihrer ehemals sakralen Funktion emanzipiert, hob der Kardinal hervor. "Nun greift sie umso entschiedener inhaltliche Anliegen auf - selbst da, wo sie sich die Kritik, inhaltsleer zu sein, anhören muss." Die Kunst der Gegenwart sei nicht mehr funktional im Sinne der Illustration biblischer Geschichten zu verstehen, sondern als Verbündete bei der Interpretation dieser Welt, sagte Woelki.

Aschermittwoch in anderen deutschen Bistümern

Auch in anderen deutschen Bistümern hat die katholische Kirche zu Begegnungen zwischen Kunst und Kirche eingeladen. Mancherorts, wie im Erzbistum Berlin, wurde der "Aschermittwoch der Künstler" ökumenisch begangen. Dort äußerte sich der evangelische Bischof Markus Dröge zu dem "Menschen-Museum", das in der Hauptstadt präparierte Leichen zeigt.

"Hier wird der Lust an der Sensation gedient und nicht einem tieferen Verstehen des menschlichen Wesens", kritisierte Dröge. Er sprach von einem peinlichen Vorgang, "wenn Berlin sich eine solch blamable Visitenkarte gibt, wenn Tote mit solch durchsichtigen kommerziellen Motiven im Herzen unserer Stadt zur Schau gestellt werden". Das Museum des Anatomen Gunther von Hagens wurde am selben Tag im Sockelbau des Fernsehturms eröffnet.

Münchens Kardinal Reinhard Marx erinnerte im Liebfrauendom an Bilder der Gewalt, so die Anschläge in Paris und Kopenhagen, die Hinrichtung 21 koptischer Christen in Libyen und den Ukrainekonflikt. Ein Mehr an Waffen und Gewalt werde den Hass nicht auslöschen. Nur die Liebe, die sich im gekreuzigten Christus zeige, könne das Leid überwinden. Auch die Kunst könne zu Gewaltlosigkeit beitragen. Das stärkste Bild sei das Kreuz, sagte Marx, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist.

Kunst als "Fenster zum Himmel"

Nach Ansicht des Freiburger Erzbischofs Stephan Burger kann Kunst dabei helfen, neu über theologische Fragen nachzudenken. Ähnlich äußerte sich der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst. Kunst diene in diesem Sinne als Brücke zu einer Antwort auf die "letzten Fragen" des Menschen. Im Anschluss an den Gottesdienst mit Fürst sprach die Direktorin der Stuttgarter Staatsgalerie, Christiane Lange, über die Zukunft der Institution Museum.

In Würzburg erinnerte Bischof Friedhelm Hofmann an das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) und das für das laufende Jahr von den Bischöfen angestoßene Kunstprojekt. Ein halbes Jahrhundert nach Ende des Konzils mache die Initiative mit dem Titel "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst" deutlich, dass diese Begriffe sowohl Kunst als auch Kirche beschäftigten.

Kunst habe eine eigene prägende Kraft, die die Glaubensbotschaft auf eine eigene Weise vermitteln könne. "Wir brauchen solche Fenster zum Himmel", so der Hofmann, der den Projektbeirat leitet und zugleich stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Wissenschaft und Kultur der Deutschen Bischofskonferenz ist. Auch im Bistum Augsburg ging es um das Kunstprojekt. Dort warf der verantwortliche Gesamtkurator Walter Zahner einen Blick auf die Kirchenbauten der Zeit nach dem Zweiten Vatikanum.

Initiative aus Frankreich

Die Initiative zum "Aschermittwoch der Künstler" kam nach dem Zweiten Weltkrieg aus Frankreich. Dort strebte der katholische Schriftsteller Paul Claudel (1868-1955) nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer solchen Begegnung einen spirituellen Neuanfang für Europa an. Der erste "Aschermittwoch der Künstler" in einer deutschen Diözese fand 1950 in Köln statt. Dem folgten bald München und andere Bistümer. Heute gibt es entsprechende Angebote in einer Reihe von Städten weltweit.

Mit der Begegnung will die Kirche ihre Wertschätzung für Kunst und Künstler bekunden. Sie soll zugleich einer religiösen Standortbestimmung dienen oder auch die gemeinsame Auseinandersetzung mit Grundfragen der menschlichen Existenz ermöglichen. In aller Regel gibt es einen gemeinsamen Gottesdienst zum Auftakt der Fastenzeit und einen kulturellen Akzent, bei dem auch prominente Kunstschaffende zu Wort kommen. Daran schließt sich die Möglichkeit zum Gespräch zwischen Bischof oder Geistlichen und Künstlern an. (KNA)