Flucht, Vertreibung, Migration

Assyrer, Babylonier und ein Menetekel

DOMRADIO-Bibel beschäftigt sich in der dritten Folge mit den unterschiedlichen Formen der Verschleppung, die dem Volk Israel widerfahren sind.

Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan auf Lesbos / © Orestis Panagiotou (dpa)
Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan auf Lesbos / © Orestis Panagiotou ( dpa )

In den meisten Fällen ist es die Folge einer militärischen Niederlage, wenn Personen oder gar ganze Völker zwangsweise aus ihrer angestammten Heimat in ein fremdes Land verschleppt werden. König Salmanassar verschleppt die Israeliten nach Assur und siedelt in Israel stattdessen Leute aus Babel und anderen Städten an. "Es geht darum, Widerstand im Keim zu ersticken und man siedelt in den eroberten Gebieten Volksgruppen an, die froh sind, das Land zu bekommen und die dann loyal sind", erklärt Gunther Fleischer von der Bibel- und Liturgieschule in Köln die Taktik, die sich dahinter verbirgt und die von Machthabern auch unserer Zeit noch so praktiziert wird. Im zweiten Buch der Könige wird die Verschleppung allerdings in einem Zusammenhang mit dem Verhalten der Könige von Israel gesehen, die das Volk zur Verehrung fremder Gottheiten verführt haben. Fleischer warnt allerdings davor, Flucht und Vertreibung generell als Strafe für sündhaftes Verhalten zu deuten. "Das wäre natürlich fatal im Hinblick auf das ganze Leid, das wir heute erleben." Interessant ist hier allerdings, dass das Motiv der Umsiedlung nicht von anderen Völkern erzählt wird, sondern vom eigenen Volk. "Israel schreibt sich das ins eigene Stammbuch: Wir haben versagt, und deshalb ist es uns so ergangen."

Die bekannteste Verschleppung im Alten Testament ist allerdings die Babylonische Gefangenschaft. Während das Nordreich Israel im 8. Jahrhundert v. Chr. unter König Salmanassar nach Assur verschleppt wurde, wurde eineinhalb Jahrhunderte später das Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem durch Nebusaradan, den Feldherrn des Königs Nebukadnezzar von Babel, erobert. Ein wichtiger Grund, der in den Prophetenbüchern genannt wird, ist die soziale Unterdrückung in den eigenen Reihen. Die reiche Bevölkerungsschicht lebte bis zur Verschleppung auf Kosten der Armen. Dass nur die armen Leute als Wein- und Ackerbauern zurück gelassen werden, ist allerdings nicht als ein Akt der Gnade zu bezeichnen, betont der Bibelexperte. "Bis heute ist das Motiv der Politik selten Gnade, sondern meistens Kalkül. Denn Menschen zu verschleppen kostet auch Geld. Ich muss nämlich die Leute, die ich mitnehme, auch bezahlen." So wurde damals vornehmlich die intellektuelle Führungsschicht Israels nach Babel verschleppt, weil die als Arbeitskräfte gebraucht werden konnte.

Unter Belschazzar bröckelte jedoch die Macht Babels. Das entscheidende Ereignis dazu wird im Buch Daniel beschrieben. Belschazzar hält ein üppiges Festmahl und benutzt dafür aus dem Jerusalemer Tempel geraubtes Gut. Während des Mahles schreibt eine Hand den legendären Satz "Mene mene tekel u-parsin" an die Wand, den zu entschlüsseln nur Daniel, einer der verschleppten Juden, in der Lage ist. "Die Hand ist biblisch das Symbol des Handelns Gottes", erklärt Dr. Fleischer das hier beschriebene persönliche Eingreifen Gottes in das Geschehen. Das Ganze erinnere etwas an den Finger, der die Gebotstafeln schreibt. Tatsächlich geht das Babylonische Reich auch historisch allmählich unter und wird von den Persern erobert.

In das Land der Assyrer nach Ninive gekommen war Tobit, wie er am Anfang des nach ihm benannten Buches schreibt. "Die Assyrer waren das brutalste Kriegervolk der Zeit. Wir wissen auch, dass sie auf grausamste und bestalische Weise Menschen ermordet haben. Man sieht, dass Geschichte sich bis heute einfach wiederholt", gibt Gunther Fleischer zu bedenken. Die Babylonier vertraten dagegen eine etwas andere Eroberungspolitik. "Sie erobern und verschleppen. Aber sie lassen dann durchaus auch Menschen in Frieden leben. In babylonischer Zeit hatten die Juden in Babylon die Möglichkeit, als geschlossene Gemeinde zu leben und sich dort zu arrangieren." Das war bei den Assyrern nicht möglich gewesen. Hinzu kam, dass im Gegensatz zur Bestattung der Toten als Ehrung für Hingerichtete das Nicht-Bestatten als Ächtung galt. Dies gilt als Hintergrund für die Geschichte Tobit, wo sich ein Jude ans Werk macht, die assyrische Gesetzgebung zu unterwandern, indem er sogar seine Feinde begräbt und sich dadurch in Lebensgefahr bringt.

Zu besprechende Texte:

- 2 Kön 17,1-6.24

- Jer 52,12-16

- Dan 5,13 - 6,1

- Tob 1,3.10-20