Artikel über Tommy Millhome im Radiojournal

"Radio ist mein Wegbegleiter durch das Leben. Radio zu machen mein Traumberuf."

 (DR)

Samstag, 14.00 Uhr. Auf meinem Webradioempfänger klicke ich mit der Fernbedienung domradio an. Der Apparat wählt die Adresse und das Logo erscheint auf dem Display. Eine Frauenstimme flüstert den Einspieler: "Wer streift verwegen durch den CD-Dschungel? Es ist der Hit-Jäger Tommy Millhome, jetzt hier und live!" Dann brummelt er auch schon mit seiner unnachahmlich sanft-rauen Stimme: "Musiknachmittag im domradio. Ja, schön, dass ich in Ihr Radio darf" und kommt gleich zur Sache: "Robbie Williams ist zurück bei Take That. Die erste Single nach der Wiedervereinigung ist vier Wochen früher auf den Markt gekommen: "The Flood" ("Die Flut"). Heute hier bei mir!"



Als erstes spielt er meistens einen Song, von dem er selbst denkt: "Gute Idee, das mal wieder im Radio zu bringen." Oldie oder Hit oder was dazwischen. Die Woche davor war es Joe Cocker mit "Hard Knocks". Danach wechseln sich die deutschen Single-Charts mit den Wunschhits der Hörer ab. Fußballknaller Shakira mit Waka Waka, zackig geht’s weiter mit Ra...Ra...Rasputin von Boney M., dem Uralt-Hit "Diana" von Paul Anka und Herbert Grönemeyer mal ganz anders: Tommy spielt den Soundtrack zu Anton Corbijns Spielfilm "The American" mit Frauenschwarm George Clooney in der Hauptrolle. Kurz bevor sie es beim Bundesvision Song Contest auf den dritten Platz schafften, lief "Yasmine", die schöne neue Nummer von ICH + ICH mit Adel Tawil und dem ägyptischen Superstar Mohammed Mounir im Musiknachmittag. "Für alle, die im Moment nach einem Ausweg suchen..." in der Debatte zum Thema Integration. Gudrun grüßt mit "Hallelujah" von Brings die ganze Familie und schreibt: "Die Botschaft ist im Lied". Ob Rio Reisers unglaubliche Ballade "Für immer und dich", Peter Fox sein "Haus am See" oder "Das Beste" von Silbermond... Tommy Millhome legt sie auf: "Die frischesten Brötchen aus dem CD-Geschäft", die Oldie-Klassiker von gestern oder auch mal ein leises Ave Maria.



In der Sendung stecken drei "Gewürze" drin: Eine Prise BFBS, ein Hauch Mal Sondock und ein Zuckerwürfel Radio Luxemburg. Alter Charme neu verpackt in der ganz individuellen Tommy Millhome-Mischung. Der Wunsch Radio zu machen lag bei Tommy schon mit zwölf Jahren in der Luft. Mit einem billigen Mikrofon nahm er auf seinem kleinen Kassettenrekorder Musik auf. Daraus stellte er seine eigenen Hitparaden zusammen. "Dann hab’ ich für meine Eltern mit den Kassetten Live-Radio gespielt. Erste Nummer 1 war "Runaway’ von Sailor. Klar, ich wollte schon damals zum Radio. Zwischendurch wollte ich aber auch mal Reitlehrer, Englischlehrer oder Profimusiker werden."



Der englische Akzent ist schnell erklärt: "Wenn ich Anfang der 80er Jahre aus der Schule kam, lief fast jeden Mittag BFBS mit dem unvergessenen Tommy Vance. Auf diese Weise lernte ich die coolere Radiomoderation zu schätzen und hörte die neueste Popmusik, bevor sie in Deutschland lief." Während seines Studiums gab Tommy Deutschunterricht in London. Die britische Musik lag ihm immer näher am Herzen als die amerikanische. Deshalb klingt sein Englisch eher britisch. Millhome ist sein Künstlername. Den dachte er sich vor zwanzig Jahren aus, als er Schlagzeuger in einer Band war, die im Mülheimer Hafen in Köln probte. "Damals musste ein Künstlername ja noch englisch sein, wenn man cool sein wollte", erzählt er lachend. Diese Band hieß natürlich: Tommy Millhome. "Wir machten ziemlich unkommerzielle Musik und waren nur lokal durch viele Auftritte bekannt. Immerhin haben wir auch im altehrwürdigen Luxor in Köln gespielt. Ich programmierte Elektronik und rezitierte dabei meine eigenen Texte, die über das Leben philosophierten."



Als domradio im Jahr 2000 an den Start ging, hatte Tommy die Idee, die freundliche Begleitung durch den Tag, die einst Radio Luxemburg bot, wieder aufleben zu lassen. Titel der Sendung: Der Musiknachmittag - eine Radioshow für die ganze Familie mit Popmusik, Fußball, Musikwünschen und Grüßen. Zehn Jahre später ist daraus eine kleine, aber dem Sender sehr verbundene Radio-Community entstanden. Hörer aus Rhein und Ruhr, aus ganz Deutschland, sogar Kölnverbundene rund um den Globus schicken eMails mit Grüßen und Musikwünschen, schreiben aus dem Urlaub, berichten von Schicksalsschlägen, Krisen oder von religiösen Erfahrungen. 2007 machte ein Hörer seiner Partnerin in der Sendung einen Heiratsantrag und ihr "Ja" ging live über den Sender. Ein Militärpfarrer, gerade von seinem Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan zurück, wünschte sich den Song "Ein Stern, der deinen Namen trägt", in Erinnerung an die Soldaten im Camp, die mit diesem Lied ein Stück Zuhause verbanden. Hörer können auch kurze, inspirierende Texte vorschlagen, die der Moderator selbst in der Rubrik "Das Wort" (jeweils zur vollen Stunde) vorliest.



Neben den Mails und Gesprächen mit Hörern berichtet der Musiknachmittag über alles, worüber man am Tag spricht. Ob Weltjugendtag, das tragische Love Parade Unglück oder 15 Jahre DOMFORUM: "Ein ganz wichtiges Menschenhaus neben dem Dom als Gotteshaus wurde heute wieder eröffnet und die Renovierung mit Kaffee und Kuchen gefeiert." Dazu begrüßte Tommy Millhome Gäste im Studio. domradio sitzt auf der kompletten vierten Etage des DOMFORUMS, das ist das Besucherzentrum des Kölner Domes und das erste Gebäude, auf das man zusteuert, wenn man den Dom durch das Hauptportal verlässt. Am 4. September feierte die kölsche Band Bläck Fööss ihr 40-jähriges Jubiläum. Abends gab’s das große Live Open-Air Konzert auf dem Roncalliplatz vor dem Dom, und zum Musiknachmittag begrüßte Tommy prominente Gäste im Studio. "Da hatte ich Wolfgang Niedecken von BAP und Moderator Marc Metzger (eine Persönlichkeit im Kölner Karneval), sowie Andreas Wegner, Hartmut Prieß und Bömmel Lückerath von den Bläck Fööss über die Sendung verteilt." Highlight war ein Interview mit Udo Lindenberg, das in der Sakristei des Kölner Domes vorproduziert wurde. Von dort aus setzte Udo eine Message an die Hörer ab: "Wie heißt das hier?" frug er Tommy. "Sakristei" und Udo legte los: "Wir sind hier in der Sakristei des Domes. Ist ja ein unglaubliches Wunderwerk ... Ich glaube schon, dass es da die überirdische Power gibt. Keine Panik, Euer Udo."



Ob Bundesliga oder WM: Fußball darf im Musiknachmittag nicht fehlen, denn auch Christen kicken gerne. Experte am runden Leder ist Nachrichtenredakteur Klaus Schmitt, der während der Saison jeweils zu Halbzeit und Spielschluss einen Überblick über das Geschehen gibt. Das wichtigste Spiel wird ausführlich geschildert. Mit Klaus Schmitt wurde mal in der Sendung gewettet, wer Deutscher Meister wird. Der Verlierer sollte "Fußball ist unser Leben" live ins Mikro singen. Beide, Klaus und Tommy, mussten dieses Versprechen einlösen.



domradio ist das erste kircheneigene Radio Deutschlands als christliche Stimme in einer durchformatierten Radiolandschaft. In einer Zeit, in der die Institution Kirche von der breiten Öffentlichkeit mehr und mehr mit Skepsis betrachtet wird, sendet der Musiknachmittag die Worte der Menschen, die sich zugehörig fühlen und Kirche leben. Mal spricht auch ein Pfarrer in der Sendung darüber, ob er vor dem Hochamt Lampenfieber hat oder gesteht, dass er eigentlich auch gerne Science-Fiction-Regisseur geworden wäre. Genauso lädt die Sendung Menschen ein, die sich Kirche nur als Radiohörer nähern wollen. "Ich war angenehm überrascht. domradio ist zwar ein katholisches Radio, aber es ist gar nicht so schlecht". Solche Sätze von Hörern liest Tommy öfter und stellt fest: "Ich glaube, dass domradio Vorurteile, die gegenüber Kirche bestehen, nicht bestätigen darf. Der interaktive Musiknachmittag soll mit Hilfe der vielen Mitmacher nicht nur andächtig und leise, sondern frisch um die Ecke kommen." Für den Moderator hat Kirche eine riesige Chance. "Menschen suchen dringender als je zuvor Antworten auf Daseinsfragen. Ich kann sie beim Musiknachmittag nicht beantworten, aber dazu einladen, sich mit Glauben und Kirche im domradio auseinanderzusetzen. Dazu braucht domradio ein Willkommensportal zu einer familienfreundlichen Uhrzeit wie dem Samstagnachmittag, das auch skeptische Menschen nicht ausgrenzt, sondern herzlich begrüßt und die Offenheit und Vielfalt von Kirche demonstriert."



Der Musiknachmittag im domradio ist die einzige Sendung, in der Tommy Millhome als Redakteur und Moderator selbst für das Musikprogramm verantwortlich ist. Das muss während der Sendung bei eingehenden Musikwünschen immer wieder aktualisiert werden. Es läuft alles, was man mitpfeifen kann, von den aktuellen Superhits aus den Charts bis zu Oldies der vergangenen sechs Jahrzehnte. Freunde nennen es das typische "dom-AC" mit von Tommy speziell anmoderierten Ausreißern in Richtung Chanson, Jazz, Schlager, Swing oder Weltmusik. Hörer können sich ihre "himmlichen Hits" wünschen, sofern sie zum Programm passen. Da darf dann auch mal so ein gefühlvoller Super-Oldie wie Camillo Felgens "Sag warum?" dabei sein. Charakteristisch für die Sendung sind neben Musik und Moderation von Tommy selbst produzierte Einspieler ("Der kuschelige Musiknachmittag im domradio"), Stimmen aus dem Off oder mal ein Chor - die "domradio-Goldkehlchen", der zum Geburtstag gratuliert. Kommentar des Moderators: "Hinten rechts meine Sekretärin. Hat sich extra einen weißen Pullover übergezogen." Tommy traut sich auch mal albern zu sein, ohne jedoch jemals unter die Gürtellinie zu zielen.



Tommy Millhome ist gelernter Diplom-Sozialarbeiter und Musiker. Seine journalistische Laufbahn begann 1994 als freier Reporter für Radio RPR, radio NRW und diverse Lokalradios.1998 machte er ein Volontariat bei Radio Köln, seit Sendebeginn ist er Redakteur beim domradio. Außer dem Musiknachmittag moderiert er Sendungen wie "Weltweit" (Ideen und Projekte der Hilfswerke in aller Welt), Politik, Kirche, Kultur und Soziales. Außerdem organisiert und moderiert er Veranstaltungen von Politik bis Rockkonzert, ist als Referent bei Radio- und Moderations-Seminaren tätig sowie als Sprecher von Radio- und Fernsehproduktionen. Seit 2002 ist Tommy Millhome Gastgeber der Kriminacht "Mörderisches Vergnügen" mit Frank Schätzing und seit 1997 beim monatlichen Festival "Rock am Dom" im Kölner DOMFORUM. Seine Radio-Vorbilder sind Jochen Pützenbacher, Tommy Vance und Mal Sondock.



"Wegen mir hat domradio den guten alten Kassettenrekorder noch nicht für immer abgeschaltet", erzählt Tommy. "Ich höre nämlich jede einzelne Sendung nochmal als Aircheck von Kassette. Nur so kann ich mich weiterentwickeln und aus Fehlern lernen." Einen persönlichen Coach hat er nicht. "Ich bin mein schärfster Kritiker." Bei seiner ersten Livesendung hatte er einen Spickzettel dabei. Darauf stand: "Was mache ich wann?". Für alle erdenklichen Pannen, die hätten passieren können, überlegte er sich Moderationen zum Ablesen. Der Zettel war allerdings bald überflüssig. Im Sendestudio ist ihm fast alles passiert, was so passieren kann. Ein schreiendes Baby wurde dort "vergessen", ein Hund legte einen Haufen ins Studio... Moderatoren sind Menschen wie du und ich mit Herz und Gefühl. Tommy erinnert sich an eine besonders sentimentale Begebenheit: "Als ich nach einer schmerzhaften Trennung einen mit Erinnerungen belasteten Song in meiner Sendung gespielt habe, liefen mir plötzlich die Tränen über das Gesicht. Nach vier Minuten musste ich aber wieder lustig sein und meine Hörer unterhalten. Das war vielleicht der schwerste Moment in sechzehn Jahren Radio." Und eins versteht er bis heute nicht: "Warum immer gerade dann Geiselnahmen oder Großrazzien in der Stadtverwaltung waren, wenn ich als Reporter 24-Stunden-Bereitschaft hatte."



Am 27. November 2010, dem Samstag vor dem ersten Advent, geht mit dem Musiknachmittag Tommys 1000. Sendung im domradio on air. Das kleine Jubiläum will er mit ein paar Promis und Wegbegleitern, aber vor allem mit den Hörern feiern, die er zu sich ins Studio einlädt. "Sie müssen auch nichts sagen am Mikrofon, wenn Sie nicht möchten." Zum Schluss der Sendung legt er die Nr. 1 der deutschen Single-Charts auf. Die kommt von Israel Kamakawiwo aus Hawaii - eine wunderbare Nummer von einem bereits verstorbenen Sänger: "Over The Rainbow / What A Wonderful World". Bye, Bye... Dazu passt auch Tommy Millhomes Lebensmotto: Würden wir Menschen nur unsere Gemeinsamkeiten erkennen ... die Erde könnte ein Paradies sein!



Anita Pospieschil