Bachs Kantate "Ach wie flüchtig" in der Vorstellung

"Wie ein Nebel bald entstehet"

An Bachs Kantate aus dem Jahr 1724 zeigt sich exemplarisch, wie der Thomaskantor den Text in sprechende Musik umsetzt.

Herbstsonne / © Olegivvit
Herbstsonne / © Olegivvit

Das Flüchtige ist deutlich im Eingangschor zu hören, sehr lautmalerisch stellt Bach den Menschen als flüchtigen Hauch dar, der im Wind des Lebens rasch vergeht. Über 400 dieser geistlichen Werke hat Bach geschrieben. In der Regel dauert eine Kantate etwa 20 Minuten und wurde im Sonntagsgottesdienst in der Leipziger Thomaskirche aufgeführt. Die Besetzung umfasste meistens vier Solo-Sänger, Chor und kleines Orchester.

Die Kantate „Ach, wie flüchtig“ stammt aus dem Jahr 1724 und thematisiert auf einmalige Weise die Vergänglichkeit des Menschen. Textliche Grundlage ist ein gleichnamiges Kirchenlied von Michael Franck:

"Wie ein NEBEL bald entstehet
Und auch wieder bald vergehet,
So ist unser LEBEN, sehet!"

Bach greift an dieser Stelle auf eine beliebte Kompositionstechnik zurück: die bekannte Melodie des Kirchenlieds wird von einer Stimme des Chores gesungen, etwas verlängert, aber die Tonabstände bleiben gleich. Sozusagen drumherum musizieren die übrigen Stimmen des Chores und Orchesters. So bleibt einerseits die musikalisch enge Bindung an das Lied bestehen, aber durch die anderen Stimmen kann sehr lautmalerisch der Text gedeutet werden.

Nach dem Eingangschor, der das Flatterhafte der menschlichen Existenz eindrucksvoll in Musik setzt, folgen in der Kantate zwei Rezitative und Arien, die das Thema weiterführen.  „So schnell ein rauschend Wasser schießt, So eilen unser Lebenstage“ – so singt der Tenorsolist. Auch in dieser Arie findet sich wieder Bachs sprechende Musik. Man hört förmlich das Rauschen des Wassers, das sinnbildlich für das rasche Vergehen der Lebenszeit steht.

In der Kantate werden die Menschen aber nicht nur davor gewarnt, wie schnell ihr Leben vorbei sein kann. In der letzten Arie kommt auch der dringende Appell, im Leben nicht auf die falschen Dinge wie Reichtum zu setzen. „An irdische Schätze das Herze zu hängen, Ist eine Verführung der törichten Welt“ – so heißt es in dem Text. Dieses törichte Verhalten unterstreicht Bach geschickt durch die instrumentale Besetzung der Arie. Denn drei Oboen umspielen den Gesang des Bass-Solisten und unterstreichen die tadelnde Haltung des Sängers. Mit einem schlichten vierstimmigen Choral, der textlich die letzte Strophe des Kirchenliedes von Michael Franck aufgreift, endet die Kantate.

Sie gehört zu einem der ersten Jahrgänge, die Bach für sein Amt als Thomaskantor in Leipzig schrieb. Mehrere Jahrgänge an Kantaten entstanden so für den Gebrauch im Gottesdienst. Obwohl es Gebrauchsmusik im besten Sinne des Wortes war, zeigt besonders diese Kantate die außerordentlichen Fähigkeiten Bachs im Bereich der geistlichen Musik.  

(Erstsendedatum: 11.10.2015, Wiederholung 24.09.2016)