Mendelssohns Vertonung von Psalm 42 im Portrait

"Wie der Hirsch schreit"

Wie wohl kaum ein zweiter Komponist des 19. Jahrhunderts verband Mendelssohn die kraftvolle Sprache der Psalmen im Alten Testament mit der Aussagekraft der romantischen Musik.

"Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser" / © Holger Hollemann (dpa)
"Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser" / © Holger Hollemann ( dpa )

"Wie der Hirsch schreit" so lautet der Titel von Mendelssohns Vertonung von Psalm 42. Starke menschliche Gefühle wie Sehnsucht, Angst in bedrängten Zeiten und Hoffnung auf Rettung durch Gott beschreibt der Psalm. Mendelssohn setzte all sein kompositorisches Geschick ein, um diese Gefühle musikalisch darzustellen.

Zu seinen Zeiten wurden die Psalmen nicht mehr ausschließlich im Gottesdienst gebetet oder gesungen, sondern in großen Vertonungen mit Chor und Orchester auch in Konzerten aufgeführt. Trotzdem bleibt seine Komposition ein geistliches Werk. Mendelssohn entwirft das Bild eines betenden Menschen, der unruhig und voller Zweifel ist Er vertonte fast komplett den originalen Text des Psalms. Nur am Ende fügte Mendelssohn einen Lobpreis hinzu, vielleicht um die sich aufhellende Stimmung des Beters gegen Ende des Psalms zu betonen. Das vorherrschende Gefühl bis dahin ist eine Mischung aus Zweifel an Gott und Verzagtheit. Etwa 23 Minuten dauert die Psalmvertonung, lyrische Passagen wechseln sich mit bewegten Chorteilen ab.

Trotz der teilweise dramatischen Tonsprache in dem Werk: Die Umstände der Entstehung des Psalms waren für Mendelssohn sehr glücklich. Er schrieb die Vertonung zum größten Teil auf seiner Hochzeitsreise im Jahr 1837, nachdem er die Pfarrerstochter Cécile Jeanrenaud nach evangelischem Ritus geheiratet hatte. Mendelssohn selbst war erst mit sieben Jahren evangelisch getauft worden.

Seine Familie hatte eine lange jüdische Tradition, sein Großvater Moses Mendelssohn war ein berühmte jüdischer Philosoph gewesen. Sein Vater trat schließlich selber vom Judentum zum Protestantismus über und fügte dem Familiennamen Mendelssohn noch den zweiten Namen Bartholdy hinzu. Als Komponist zeigte Felix von Jugend an eine große Offenheit für die Kirchenmusik, sowohl für die katholische wie für die evangelische. Innerhalb seines kirchenmusikalischen Schaffens ragen die großangelegten Vertonungen der Psalmen heraus, vergleichbar nur noch mit seinen Oratorien, die ebenfalls auf biblischen Texten basieren.

Beim Publikum kamen diese Werke außerordentlich gut an. Sein Zeitgenosse und Komponisten-Kollege Robert Schumann sagte über Mendelssohns Vertonung von Psalm 42, dass das Werk die höchste Stufe sei, die Mendelssohn als Kirchenkomponist, ja die neuere Kirchenmusik überhaupt, erreicht habe. Das sah auch Mendelssohn so: Er sagte etwas unbescheiden, dass dieser Psalm das Beste sei, was er in dieser Art componiert habe.

(Erstsendung 01.03.2015, Wiederholung 13.03.2016)