Missa "Vinum bonum" von Lassus

Eine Parodie über den Wein?

Beim Begriff "Parodiemesse" zucken manche vielleicht etwas zusammen und denken dabei an die Eucharistie nicht ganz ernst nehmende Musik. Die Parodie ist hier jedoch ein stilistisches Mittel des Komponierens, wenn auf bereits bestehende Vorlagen zurückgegriffen wird. Orlando di Lasso hat viele solcher Parodiemessen geschrieben. Eine davon ist seine "Missa ad imitationem Vinum bonum".

Der Weinberg auf dem Gelände der Päpstlichen Villen in Castel Gandolfo / © Stefano dal Pozzolo (KNA)
Der Weinberg auf dem Gelände der Päpstlichen Villen in Castel Gandolfo / © Stefano dal Pozzolo ( KNA )

Orlando di Lasso oder Orlande de Lassus war einer der großen Komponisten der Renaissance-Zeit. Gebürtig stammte er aus Mons im heutigen Belgien und war für wenige Jahre Kapellmeister der Lateranbasilika in Rom, bis ihm Palestrina in diesem Amt folgte. Di Lasso stand daraufhin nach kurzem Aufenthalt in Antwerpen viele Jahre im Dienst der Herzöge von Bayern am Münchener Hof; zunächst als Sänger und ab 1563 als Kapellmeister. Er hinterließ etwa 2000 Werke von ausgezeichneter und origineller Qualität. Dazu zählen auch über 60 Vertonungen des Messordinariums. Die meisten davon basieren auf früheren Kompositionen, teilweise von anderen Komponisten und teilweise von ihm selbst.

Die achtstimmige „Missa ad imitationem Vinum bonum“ von 1577 ist eine solche Parodiemesse, die eine weltliche Motette mit dem Titel „Vinum bonum et suave“ als musikalische Basis hat. Diese schrieb Lassus sieben Jahre zuvor auf den Text eines lateinischen Trinkliedes. Die erste Zeile sowie das Metrum des gesamten Textes sind offensichtlich eine augenzwinkernde Anspielung auf die Sequenz „Verbum bonum et suave“, die an den Mariensamstagen im Advent gesungen wurde, aber mit dem Trienter Konzil, das wenige Jahre vorher zu Ende gegangen war, aus den neuen liturgischen Büchern verschwunden ist. Inhaltlich widmet sich Lassus‘ Motette den Vorzügen des Weintrinkens, denn immerhin habe ja auch Jesus selbst einmal Wasser in Wein verwandelt. Also wolle man Christus anrufen, dass wir mit Freuden den Wein trinken, den er uns schenkt. Das werde wahr!

Der Komponist verwendet nun genau diese Motette als Grundlage für seine Messvertonung, die deshalb auch den Namen „Vinum bonum et suave“ erhält. Er parodiert sie also. Zwar wurde die Adaption und Parodie von weltlicher Musik für den sakralen Gebrauch im Trienter Konzil verboten. Dieses Verbot wurde von Komponisten jener Zeit jedoch vielfach ignoriert. Im Fall dieser Messe handelt es sich ja auch um einen – wenn auch augenzwinkernden – geistlichen Text. Die Funktion der Parodietechnik lässt jeden Satz der Messe mit einer Paraphrase der Einführung der Motette beginnen. Somit ähneln sich alle Sätze der Messe stark, wenngleich auch Sanctus und Agnus Dei sich deutlich abheben. Daher hat die Messe ihre ganz eigene Klangwelt und den entsprechenden Wiedererkennungseffekt, wenn sie im Gottesdienst zwischen den anderen Gesängen zu hören ist. Eine Anspielung auf das freudig klingende „quod laetantes hic bibemus“ der Motette im tanzenden Dreiertakt begegnen bei der Auferstehung der Toten im Credo und beim Hosanna des Sanctus.

 

(Erstsendedatum: 10.05.2015, Wdh.: 01.05.2016)