Barocke Klangpracht von Michel-Richard Delalande

"An den Strömen von Babel"

Sonnenkönig Ludwig XIV. ist bis heute berühmt, der absolutistische Herrscher war ein Förderer der schönen Künste und legte auch großen Wert auf gute Musik an seinem Hof. Dafür verpflichtete er die berühmtesten Musiker Frankreichs. Einer davon war Michel-Richard Delalande.

Notre-Dame Kathedrale in Paris, Frankreich / © SEBASTIEN NOGIER (dpa)
Notre-Dame Kathedrale in Paris, Frankreich / © SEBASTIEN NOGIER ( dpa )

Er stieg im Laufe seines Lebens immer mehr in der Gunst des Sonnenkönigs. Aufgewachsen in Paris, wurde er als Sänger, Geiger und Organist ausgebildet. Nach mehreren Anstellungen an Kirchen in Paris wurde er schließlich Cembalo-Lehrer am Hof des Königs und unterrichtete die Töchter von Ludwig XIV.

Zu dieser Zeit war Jean Baptist Lully die alles beherrschende musikalische Persönlichkeit am Hof in Versailles. Doch der rammte sich so unglücklich beim Dirigieren den Taktstock in den Fuß, dass die Wunde sich entzündete und Lully wenig später starb. Delalande übernahm ab 1689 das Amt des Superintendenten der Hofmusik. Für diese Tätigkeit schrieb er einige weltliche Werke, vor allem aber komponierte er festliche geistliche Musik für den Gottesdienst mit dem König. Je prachtvoller, desto besser. So entstanden die sogenannten Großen Motetten. Vor allem der König liebte die großangelegten Kompositionen. Er veranstaltete mehrfach Wettbewerbe, bei denen prominente Musiker wie Delalande einen Text als Vorlage bekamen und dann Musik im Stil einer Großen Motette komponieren mussten – der König entschied dann höchstpersönlich, wer das beste Werk geschrieben hatte. Und immerhin gewann auch Delalande den Wettbewerb.

Die textlichen Grundlagen bei den Großen Motetten waren meistens die Psalmen oder andere Stellen aus der Bibel. Umfangreich war die musikalische Besetzung mit Gesangssolisten, Chor und Orchester. Immerhin stand Delalande die königliche Hofkapelle zur Verfügung und er konnte dadurch musikalisch aus dem Vollen schöpfen. Mit den ausschließlich für Chor komponierten  Motetten der Renaissance oder den Motetten von Johann Sebastian Bach in Deutschland hatte diese Form der Motette nichts gemein. Rund 70 dieser Großen Motetten komponierte Delalande im Laufe seiner Karriere. In Frankreich unterschied man sie zu den Kleinen Motetten, die nur wenige Sänger und eine schmale Begleitung vorsahen. Diese konnten auch in kleineren Kirchen oder sogar zuhause aufgeführt werden. Vor allem am Hof von Versailles wurde die Gattung der Großen Motette gepflegt.

In Cantica erklingt als Beispiel von Michel Richard Delalande seine Vertonung von Psalm 137. Der ist einer der bekanntesten Psalmen des Alten Testamentes überhaupt; seine Eröffnungszeilen ("An den Strömen Babylons") waren mehrfach Teil erfolgreicher Musikstücke im 20. Jahrhunderts. Der Beter reflektiert in den Psalm die schwierige Lage der Israeliten. Sie befinden sich im Exil in Babylon. Jerusalem, die Heilige Stadt der Juden, war im 6. Jahrhundert vor Christus von den Babyloniern zerstört worden. Melancholisch erinnern sich im Psalm die Überlebenden an Jerusalem vor der Zerstörung der Stadt. Im weiteren Verlauf des Psalms hoffen die Israeliten auf eine Verbesserung ihrer Lage und vor allem auf einen Rückkehr nach Jerusalem.

Delalande teilt den Text in mehrere Abschnitte ein und besetzt diese unterschiedlich. Basis sind insgesamt vier Sätze für Chor, dazwischen interpretieren Gesangsolisten den Psalm. Zu seinen Lebzeiten war Delalande sehr erfolgreich mit diesen Vertonungen. Er starb mit knapp 70 Jahren hochgeachtet am Hof von Versailles im Jahr 1726.

(Erstsendung: 15.03.2015, Wiederholung: 21.02.2016)