Orlando di Lassos Bußpsalmen in der Vorstellung

"De profundis clamavi"

Am 1. Fastensonntag geht es um eine Art Privatkomposition, die über Jahre nur ein ausgewählter Personenkreis zu hören bekam. Geschrieben wurde die Musik vor rund 450 Jahren von Orlando di Lasso. Er lebte als Komponist während der Renaissance und war einer der berühmtesten Musiker im 16. Jahrhundert. Sein Dienstherr war Herzog Albrecht V. von Bayern, der in München residierte.

Kreuz im Schnee (dpa)
Kreuz im Schnee / ( dpa )

Für ihn hatte di Lasso eigens die sieben so genannten Bußpsalmen aus der Bibel vertont. Doch veröffentlichen durfte er die Werke nicht. Nur der Herzog und sein Gefolge kamen in den Genuss der Musik. Erst 1584 konnte Lasso nach dem Tod des Fürsten die Bußpsalmen endlich der Öffentlichkeit vorstellen. Zu diesem Zeitpunkt  war Orlando di Lasso bereits der berühmteste Komponist Europas. Sein kompositorisches Spektrum übertraf in seiner Vielseitigkeit alle Musikerkollegen, mehr als 2000 Werke schrieb er. Von keinem Komponisten dieser Zeit wurden mehr Werke gedruckt, überall in Europa wurden sie vervielfältig und aufgeführt.

Eigentlich hieß Orlando di Lasso Roland de Lassus und wurde im burgundischen Teil der Niederlande geboren. Schon als Kind wurde er umfassend musikalisch ausgebildet, weitere Studien und erste musikalische Anstellungen folgten in Italien. Schließlich kam er an den Hof in München und blieb dort für den Rest seines Lebens. Spätestens dort stieg Lasso zum führenden Komponisten Europas auf. Hört man seine Bußpsalmen heute, erkennt man auch schnell, warum seine Werke so hoch angesehen waren: innerhalb der damals geltenden strengen Regeln der Kompositionslehre schaffte es di Lasso, den Text trotz des vergleichsweisen starren Kontrapunkt durch Dissonanzen, geschickter Stimmführung und reizvolle Kontraste zwischen hohen und tiefen Stimmen ausdrucksvoll zu vertonen. Der Psalm De Profundis zum Beispiel  thematisiert die Zerknirschheit des Menschen wegen seiner Schuld. Der Beter des Psalms wähnt sich buchstäblich in einer Tiefe, aus der er zu Gott flehentlich ruft. Musikalische Grundlage der Vertonungen ist der mittelalterliche einstimmige Gregorianische Choral als so genannter Cantus firmus, der durch die einzelnen Chorstimmen "wandert", während Lasso um ihn herum ein kunstvolles Tongebilde entwickelt. Konsequent lässt Lasso den Cantus firmus auch bis in die tiefste Stimmlage gehen, was zu einem besonders dunklen Charakter der Musik führt. Der grundlegende Charakter der 7 Psalmen sind die starken Gefühle des Menschen. Mal ist er tief zerknirscht wegen der eigenen Schuld, dann hadert er mit Gott und seinem Schicksal, dann wieder hofft der Psalmbeter auf Rettung durch Gott. Seit Jahrhunderten werden die sieben Psalmen in der Karwoche, also der Woche vor Ostern gebetet. Diese Tage vor dem Fest der Auferstehung von Jesus Christus sind besonders geprägt vom Gedanken an den Tod, der Buße und der Vergänglichkeit des Menschen.

Durch die Geheimhaltung durch den Fürsten rankten sich vielen Legenden um die Bußpsalmen. Als der Fürst gestorben war, konnte Lasso die Noten endlich drucken lassen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Doch als der Reiz des Verbotenen weg war, wurden die Bußpsalmen nicht so begeistert aufgenommen wie erhofft. Dennoch wurden sie nicht vergessen. Bereits vor 200 Jahren wurden sie in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung für ihren majestätischen Ausdruck gelobt.

(Erstsendung 08.03.2015, Wiederholung; 14.02.2016)