Beethovens Missa solemnis in der Vorstellung

Musikalisches Herzensanliegen

Welche Komposition von Ludwig van Beethoven war eigentlich seine Beste? Beethovens eigene Wahl fällt ausgerechnet auf eine Messvertonung und nicht auf eine seiner meisterhaften Sinfonien oder Klaviersonaten.

Geigenspieler / © Jens Kalaene (dpa)
Geigenspieler / © Jens Kalaene ( dpa )

Die Missa solemnis in D-dur opus 123  sei sein größte Werk, sagte der gebürtige Bonner. Diese Einschätzung überrascht etwas, denn Beethoven wird doch allgemein vor allem als Komponist für Sinfonien oder Klaviermusik wahrgenommen. Doch mit der Ausarbeitung der Missa Solemnis setze sich Beethoven lange auseinander, erst wenige Jahre vor seine Tod wurde sie fertig und sie war ihm ein wahres Herzensanliegen.

Einen offiziellen Auftraggeber hatte die Missa solemnis nicht, Beethoven widmete sie Erzherzog Rudolph von Österreich, der nicht nur ein begabter Komponistenschüler und finanzieller Förderer Beethovens war, sondern auch ein guter Freund. Als er zum Bischof von Olmütz ernannt wurde, wollte Beethoven für diesen Anlass eine Messe schreiben. Doch bis zum Gottesdienst mit der Bischofsweihe des Erzherzogs wurde das neue Werk nicht fertig. Es dauerte insgesamt vier Jahre, bis Beethoven die Missa solemnis abschloss. Das lag daran, dass er sie zum einen sehr umfangreich angelegte, sowohl von der Aufführungsdauer von etwa 80 Minuten und der Besetzung mit Sinfonieorchester, 4 Gesangssolisten und Chor.

Außerdem setzte sich Beethoven im Kompositionsprozess ausführlich mit der Tradition der Kirchenmusik auseinander. So komponierte er einige harmonische Wendungen, die an die alten Kirchentonarten erinnern und dem stile antico der Renaissance. Beethoven hatte bei der Kirchenmusik die Vorstellung, dass die Messvertonungen seiner Zeit zu sehr an der italienischen Opernmusik orientiert seien und sah in Palstrina, Händel und Bach die geeigneten Vorbilder für eine angemessene Form der Kirchenmusik.

Neben einer angemessenen Musiksprache ging es Beethoven in den fünf Jahren des Kompositionsprozesses auch darum, sich mit seinem eigenen christlichen Glauben und den theologischen Aussagen des Messtextes intensiv auseinander zu setzten. Beethoven war katholisch getauft, setzte sich aber im Laufe seines Lebens auch intensiv mit pantheistischen und freimaurerischen Gedanken auseinander. Für die Missa solemnis hatte er eine klares Vorstellung: Sie habe das Ziel "sowohl bei den Singenden als bei den Zuhörenden religiöse Gefühle zu erwecken und dauernd zu machen".

Auch solle das Werk zu Herzen gehen, wie er es ausdrückte. Um die theologischen Aussagen musikalisch zu verdeutlichen, trieb Beethoven die Ausführenden an die Grenzen dessen, was damals leistbar war. Das zeigt sich besonders im dreiteiligen Credo:  am Anfang steht der mehrmalige Ruf Credo „Ich glaube“, der im Verlauf immer wieder erklingt und dadurch wie eine Bekräftigung der Glaubenssätze wirkt. Am Ende des Glaubensbekenntnisses entwirft Beethoven eine raffiniert auskomponierte Doppelfuge "Et vitam venturi saeculi", die bis heute als äußerst anspruchsvoll für Chöre gilt.

1825 kam es endlich zur Uraufführung der Missa Solemnis im russischen St. Petersburg, offiziell wurde sie als Oratorium bezeichnet. In Wien folgte eine Aufführung in Auszügen,  die Teile wurden als Hymnen bezeichnet. Das war aber nur eine Art Trick, um die Messe in Wien auch außerhalb des kirchlichen Rahmes aufführen zu können, denn Messvertonungen durften damals eigentlich nur im Gottesdienst gesungen werden.  Wenige Tage nach Beethovens Tod 1827 erschien das Werk bei Schott-Verlag und wurde trotz des hohen Schwierigkeitsgrades in der Folgezeit recht oft aufgeführt. Schon bald wurde sie als gewaltiges Werk gefeiert, dass die Zeit überdauert und eine ewige Wahrheit verkündet, so drückte es der französische Musikkritiker und Beethoven-Experte Romain Rolland einmal aus.

(Erstsendedatum: 03.05.2015, Wiederholung am 24.04.2016)