30.000 Jugendliche feiern und beten beim Taize-Treffen in Posen

Stille in der Industriestadt

Mit der Ankunft von mehr als 30.000 Teilnehmern im westpolnischen Poznan (Posen) hat am Dienstag das 32. Europäische Jugendtreffen von Taize begonnen. Bis zum 2. Januar stehen in der internationalen Messestadt die Themen Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden auf dem Programm. 20 Jahre nach dem Mauerfall ist auch die Geschichte Polens ein Schwerpunkt. Zudem soll die Ökumene mit China thematisiert werden.

 (DR)

Das Schweigen der etwa 7.000 Jugendlichen in der Posener Messehalle 3a ist gut hörbar: Lauter als vereinzeltes Husten oder Schuhequietschen donnert die Klimaanlage über ihren Köpfen. Nach meditativen Gesängen in verschiedenen Sprachen und Gebeten gehört etwa eine 15-minütige Stille zum Abendprogramm bei den Europäischen Jugendtreffen der ökumenischen Brüdergemeinschaft von Taize. In diesem Moment kommt bei vielen der Teilnehmer an dem diesjährigen Treffen im polnischen Poznan (Posen) auch die Müdigkeit durch.

Der 21-jährige Michael Auerochs etwa wünscht sich nach dem Abendessen nur noch einen schönen Ausklang im Gebet und will dann ins Bett fallen. Er kam mit seiner Gruppe aus Würzburg am Dienstag kurz nach sechs Uhr in Posen an. Im II. Liceum der Stadt, einer grün angestrichenen Schule in der Nähe des Messegeländes, laufen bis zum frühen Nachmittag rund 1.200 deutsche - von ingesamt 30.000 - Teilnehmern ein. Sie erhalten dort die nötigen Informationen und erfahren, bei welchen Gastfamilien sie unterkommen. Dann werden Gruppen getrennt. In jede Kirchengemeinde in und um Posen, die Jugendliche aufnimmt, sollen nur zwei bis zehn Deutsche aufgenommen werden - damit sich Jugendliche unterschiedlicher Nationen austauschen können.

Nach einem Empfang in den Kirchengemeinden treffen sich alle Jugendlichen am frühen Abend auf dem Messegelände der polnischen Industriestadt. In einer Halle wird Essen ausgeteilt: Brötchen und Gulasch. Zum Trinken gibt es typisch polnisch stark gezuckerten Schwarztee mit einem Schuss Zitrone.

Das Treffen ist natürlich stark vom Gastgeberland geprägt: Mit knapp 19.000 Teilnehmern machen die Polen fast zwei Drittel der 30.000 jungen Pilger aus. Schon in den vergangenen Jahren zählten sie bei den Treffen in Brüssel und Genf zu den größten Besuchergruppen. Neu besetzt ist der zweite Platz, den das Nachbarland Ukraine belegt. Von dort kommen 1.500 Teilnehmer. Es folgen Frankreich mit 1.400 und dann auch schon Deutschland mit 1.200 Teilnehmern.

Nach dem Essen sind die größten Hallen der Messe für das Abendgebet reserviert. In Halle 5 sind es nach Schätzung von Bruder Emile bis zu 20.000. Die Deutschen sind unter anderem mit Skandinaviern, Engländern, Franzosen und Weißrussen in Halle 3a, wo auch der Taize-Prior Frere Alois zu ihnen spricht. Der deutsche Theologe mahnt die Teilnehmer zum Einsatz für eine gerechtere Welt. «Gesellschaftsstrukturen oder Denkmodelle von gestern erweisen sich als inadäquat und ungenügend, damit die einzelnen Menschen und die Völker in Frieden zusammenleben können.» Die nötigen Änderungen bedürften einer «Veränderung im Herzen des Menschen», mahnt Frere Alois.

Diese Anfragen hätten sich ihm bei einem dreiwöchigen Besuch christlicher Gemeinden in China gestellt, berichtete der Taize-Prior. Dort sei - wie in der westlichen Welt - trotz wirtschaftlicher Verbesserungen das Bedürfnis nach Spiritualität groß. Frere Alois hat an die Jugendlichen einen offenen Brief über seine Erfahrungen in China geschrieben.

Über die «allen Menschen gemeinsame Erwartung» nach Spiritualität und einem Leben in Fülle sollen die jungen Menschen vormittags in Kleingruppen in ihren Gastgemeinden diskutieren. Ein anderer Schwerpunkt des Jugendtreffens ist die Suche nach Gerechtigkeit und Frieden unter dem Aspekt der Freiheit. 20 Jahre nach dem Mauerfall sollen sich die Teilnehmer fragen, was sie aus ihrer Freiheit machen.

Trotz der Müdigkeit am ersten Abend freuen sich die Jugendlichen auf die eingängigen Gesänge und Gebete der nächsten Tage, auf den internationalen Austausch in Workshops - und auf eine ruhige Silvesternacht. Ab 23 Uhr werden sie in den Kirchengemeinden in der Bibel lesen und singen; dieses «Fest der Völker» findet ohne Böller und Alkohol statt. Janina Sülflow aus Wittingen in Niedersachsen freut sich genau darauf: «Ich will einmal weg von diesem typischen Silvester mit krampfhaftem Partyzwang.»