'Über alte Wege'. Mathijs Deen reist durch die Geschichte Europas

"Wir sitzen alle im gleichen Boot"

Durch Europa zieht sich ein Netz von Straßen und uralten Wegen, die viel über unseren Kontinent erzählen. Der niederländische Autor Mathijs Deen begleitet in seinem neuen Buch 'Über alte Wege' Menschen aus zwei Jahrtausenden kreuz und quer durch Europa.

Mathijs Deen / © Merlijn Doomernik (DUMONT)
Mathijs Deen / © Merlijn Doomernik ( DUMONT )

"Europa braucht eine Geschichte, an die wir alle zusammen glauben können", sagt Mathijs Deen. In seinem Buch 'Über alte Wege' begibt der Autor sich auf die Reise durch die Geschichte Europas und entdeckt auf den jahrtausendealten Straßen Lebenswege einzelner Menschen – und er entdeckt die Kraft und Energie, die eine gemeinsame Geschichte entfalten kann. Zum Beispiel im späten Mittelalter, als Europa mit einem Netz von Pilgerwegen überzogen war. 'Überall standen Kirchen und überall läuteten Glocken', schreibt Deen, 'es war wie ein beruhigend regelmäßiger Herzschlag, der alle Menschen verband'. Die verbindende Geschichte damals war der Glaube an das Seelenheil durch eine Pilgerreise in eine der Heiligen Städte, nach Rom, Jerusalem, Köln oder Santiago de Compostela.

Unterwegs auf alten Pilgerrouten

In dem Buchkapitel 'Die Pilgerin' begleitet Mathijs Deen die isländische Christin Gudrid nach Rom. Sie ist eine der ersten getauften Christinnen Islands und sorgt sich um das Seelenheil ihrer Vorfahren. Den Ungetauften wurde nach damaliger katholischer Lehre das Himmelreich vorenthalten. Gibt es also kein Wiedersehen nach dem Tod?, sorgt sich Gudrid. Tatsächlich trifft sie in Rom auf den Papst, der gnadenlos bleibt und ihr eine erlösende Antwort verwehrt. "Und doch erlebt sie die katholische Kirche als etwas, was ihre Erfahrungen sehr bereichert", sagt der Autor. "Was sie unterwegs sieht, die Musik, all die Menschen, die da zusammenkommen, die an diese Geschichten glauben, die zusammen reisen können, ob arm oder reich, das ist ein wesentliches Element des Katholizismus".

Die E 8 von London nach Moskau

Mathijs Deen beginnt sein Buch auf der Europastraße 8. Er sitzt auf dem Weg durch die Niederlande, unterwegs zu Oma und Opa, mit seinen beiden Brüdern im Auto seiner Eltern. 'Das ist die E 8', sagt sein Vater. 'Die führt von London nach Moskau'. Für Mathijs Deen ist das ein Schlüsselerlebnis. Mit dieser ganz beiläufigen Bemerkung habe sein Vater eine Imagination in ihm geweckt, erzählt der Autor. "Etwas kann ganz normal aussehen, aber wenn es eine Geschichte dazu gibt, kann es etwas ganz Besonderes sein".

Wir sind eine Suppe von Nationalitäten

Das Besondere Europas, das dem Kontinent eine verbindende Geschichte gibt, kommt zum Vorschein, wenn man die Fußabdrücke auf den historischen Wegen und Straßen entschlüsselt, ist Mathijs Deen überzeugt. Er erzählt die Geschichten der antiken Händler, der römischen Ehefrauen, der Pilger, der napoleonischen Soldaten und jüdischen Flüchtlinge. Er sucht nach ihren Spuren auf europäischem Boden. 'Denn geht man in der Zeit weit genug zurück, sind alle Europäer aus anderen Gegenden der Welt gekommen', schreibt der Autor. Er selbst sei eine 'Suppe' von Nationalitäten, stellt er lachend fest. Seine Vorvorfahren stammten aus Hessen, seine Schwiegereltern aus dem Rheinland und wenn man seine DNA analysiere, so könne man feststellen, dass das Blut der Wikinger in seinen Adern fließe.

Natürlich gebe es viel Zerstörung und Elend in unserer Geschichte, sagt der Autor, aber es gebe auch sehr viel, was wir voneinander erkennen und lernen können, und es gebe auch sehr viel Spaß, sehr viel Kultur, sehr viel Entdeckungen. "Wir sitzen alle im gleichen Boot, auf dem gleichen Kontinent, wo wir uns immer wieder begegnen, wo wir zusammen leben müssen".


Quelle:
DR