Udo Di Fabio über sein neues Buch "Schwankender Westen"

"Wir feiern Weihnachten!"

"Wir sollten unsere Traditionen und Glaubensbeziehungen offener leben", sagt Udo Di Fabio auf domradio.de, "wir müssen nicht alle Missionare werden, aber wir sollten zu unseren Glaubensüberzeugungen stehen."

Prof. Udo Di Fabio / © C.H.Beck Verlag
Prof. Udo Di Fabio / © C.H.Beck Verlag

Am Münchener Flughafen beobachtete der ehemalige Richter am Verfassungsgericht Udo Di Fabio aus der Ferne etwas, das, wie er sagt, ausgesehen habe wie ein Weihnachtsmarkt. "Darauf stand aber Wintermarkt", stellte er dann erstaunt fest. "Wenn wir Weihnachten als Idee aufrechterhalten wollen, sollten wir als erstes für den Begriff kämpfen: Wir feiern Weihnachten!", fordert Di Fabio.

In seinem neuen Buch "Schwankender Westen" lotet der Jurist und Gesellschaftsdiagnostiker die Krise des Westens aus. Die Finanzkrise, die Flüchtlingskrise, die Krise der EU. Diese Krise sei aber auch eine Chance, das westliche Gesellschaftsmodell neu zu erfinden, so Di Fabio. Dazu gehöre eine Rückbesinnung auf die Grundlagen, die unser Gesellschaftsmodell ermöglicht haben. "Wir haben uns sehr auf unsere ökonomische Überlegenheit und auf unsere kulturelle Anziehungskraft verlassen und einige Grundlagen nicht richtig mitreflektiert", sagt Di Fabio: "Familie scheint nicht so wichtig zu sein, Gemeinschaften, Religionsgemeinschaften, alles nicht so wichtig, der befreite Mensch braucht so etwas doch nicht. Das ist falsch". Udo Di Fabio sieht die Voraussetzungen unserer Freiheit bedroht, wenn wir die Bedeutung des Glaubens für unser Gesellschaftsmodell vernachlässigen oder gar vergessen. "Nur wenn man die Beziehung und Wechselwirkung von Glaube und Vernunft versteht",  ist Di Fabio überzeugt, "versteht man auch die moderne Gesellschaft. Verlieren wir den Glauben, droht auch der Vernunft Gefahr".

Weiter diagnostiziert Di Fabio eine drohende Verkümmerung der transzendentalen Sensibilität. Die aber sei eine auch schon in der Präambel unseres Grundgesetzes verankerte Voraussetzung unserer Gesellschaftsordnung. "Das bedeutet, dass wir nicht ausschließen können, dass es noch etwas anderes gibt, als wir uns naturwissenschaftlich und rational erschließen können, mehr ist mit der Präambel nicht gesagt", erklärt Di Fabio, "und jeder Mensch findet zu dieser Sinngebung, zu seiner Existenzvergewisserung einen anderen Weg, sonst würde Artikel vier des Grundgesetzes nicht von der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit sprechen."