Simon Strauß über "Sieben Nächte"

Den Panzer der Coolness aufreißen

Generationskonflikte - das war einmal. Man ging auf die Straße, demonstrierte leidenschaftlich für den Frieden, gegen Atomkraftwerke und für eine bessere Welt. Das ist vorbei. Heute gibt sich die Jugend cool und abgeklärt - kein Kampf mehr, keine Utopien. Simon Strauß ist 30 Jahre alt, er ist festangestellter Redakteur bei der FAZ und beklagt die fehlenden Herausforderungen seiner Generation. In seinem Buch "Sieben Nächte" schickt er seinen Helden in die Nacht der sieben Todsünden, um etwas Echtes hautnah zu erleben.

Simon Strauß "Sieben Nächte" / © Martin Walz (Blumenbar Verlag)

"Er ist kurz vor 30 und fragt sich, was war in meinem Leben eigentlich das Entscheidende? Wozu habe ich gelebt", beschreibt Simon Strauß den Helden in seinem Buch "Sieben Nächte". Der Roman ist autofiktional, das heißt, seine Geschichte beruht auf eine wahre Begebenheit. "Ich wurde von einem Gegenüber geschickt", erzählt Strauß im domradio.de Interview. "Der Fremde hat mich an bestimmten Tagen völlig unerwartet dazu verführt, an einen Ort zu gehen, den er ausgesucht hat und wo er eine Sündenerfahrung für mich gesehen hat. So habe ich eine Sünde begangen, das erlebt und danach geschrieben – in der Nacht."

"Die Sünde als Schlüssel für mein Inneres"

Simon Strauß erzählt von den Sündennächten, leidenschaftlich, emphatisch, er sucht das echte Gefühl, das Geheimnis, die Gemeinschaft, denn es fehlt dem fast 30-Jährigen etwas, es fehlt ihm das Aufbegehren gegen die Vätergeneration, der Kampf für eine Utopie, die Energieformel, die zur Erschütterung und damit zur Initiation führt. "So viel Freiheit wir haben, desto unfreier fühlen wir uns", sagt Strauß über seine Generation. "Wir haben keine Herausforderung erlebt, wir haben keine Mauer eingerissen. Wir liegen in den gemachten Betten und fühlen uns dort bequem und gleichzeitig empfinden wir eine unglaubliche Schwere, eine Schwermut, weil wir nicht aus diesen Betten herauskommen." In den Nächten erlebt der Ich-Erzähler die sieben Todsünden - auf der Pferderennbahn oder beim Maskenball in einem Edelbordell. "Mir ging es darum, dass die Sünde für mein Inneres ein Schlüssel ist", sagt der Autor. "Die Sünde sollte das abgepanzerte, normale Leben und den alltäglichen Trott aufbrechen. Die Sünde ist da wie ein Blitz hineingerast. Denn ich wußte nicht, wann es passiert. Es passierte an einem Abend – das hat mich völlig herausgeholt aus allem, hat mich aufgeschlossen und einen kleinen Stollen angelegt, aus dem heraus ich dann eine gewisse Form von Innerlichkeit nach außen bringen konnte."

"Kirche hat das Reservoir an Gegenweltlichkeit"

Entdeckt hat Simon Strauß während dieser sieben Nächte seine innere Wirklichkeit, seine Gefühle, etwas Warmes, wie er es nennt, auch ein Empfinden für die Bedeutung der Gemeinschaft und für das Geheimnis des Lebens. Er fasst seine Erfahrungen in drei Überschriften zusammen: "Die gefühlskluge Weltsicht gegen die Vernunft, gegen die vernünftige Weltsicht. Dann die Gemeinschaft, dass man nicht alleine alles hinkriegt, sondern auch die Gemeinschaft wichtig findet. Und drittens, dass es auch Dinge gibt, die höher sind als jede Vernunft." Aber bietet das alles nicht auch der Gottesdient? fragen wir neugierig. Muss dafür ein Sündenexperiment her? Gemeinschaft, Gefühl und der Glaube an das übernatürliche Geheimnis – das sind die Kernerfahrungen einer jeden Messfeier. "Kirche wäre ein Club für all diejenigen, die über den alltäglichen, über den rein vernünftigen, über den sowieso schon allen klaren Bereich ein Interesse haben", weiß auch Strauß, der als Altlutheraner aufgewachsen ist. Kirche habe das Reservoir an Gegenweltlichkeit, an Unterschiedlichkeit auch, sagt er und schränkt seine Meinung gleich wieder ein: "Das müßte Kirche sein." Der Autor bedauert, dass sich Kirche, seiner Meinung nach, allzu sehr den politischen Gepflogenheiten und der Medien-Performance anpasse und das ganz andere, das Geheimnis des Glaubens, nicht mehr in den Mittelpunkt stelle.

Das Geheimnis des Lebens zu entdecken, die Bedeutung der Gemeinschaft und das Gefühl vom Panzer der Coolness zu befreien, darum geht es Simon Strauß in seinem Buch ´Sieben Nächte´. "Jeder, der das Buch liest, soll im besten Fall ermutigt werden, aus sich heraus zu sprechen," hofft Strauß, "nicht immer nur die coolen, abgegriffenen, abgesicherten und distanzierten Formeln zu finden, sondern Mut zu haben, aus sich heraus zu kommen und eine ganz bestimmte Form von Sprache auch zu finden, die gefühlvoll ist."


Simon Strauß / © Martin Walz (Blumenbar Verlag)