Professor Lambert Wiesing über echte Luxuserfahrungen

Luxus tut gut

Was ist Luxus? Das fragt der Luxusforscher Professor Lambert Wiesing. In seinem Buch "Luxus“ trennt er die echte Luxuserfahrung von Protzgebärden, die den Luxusbegriff als Definition für Statussymbole und Geltungskonsum entfremden.

Lambert Wiesing / © Johannes Schröer (DR)
Lambert Wiesing / © Johannes Schröer ( DR )

Im domradio.de Interview gibt der Philosophieprofessor für seine Definition einer Luxuserfahrung ein konkretes Beispiel. "Im Roman Ansichten eines Clowns von Heinrich Böll besucht der verarmte Clown Hans Schnier einen Freund, der ihm eine kleine Summe Geld zusteckt,“ erzählt Lambert Wiesing, "die beiden verabschieden sich am Kölner Busbahnhof, und Schnier geht dann an den Bussen vorbei und nimmt sich ein Taxi. Das Unsinnige dieser Reaktion hat für mich etwas Luxuriöses, weil sich hier jemand über die Angemessenheit hinwegsetzt, weil er sich nicht von den Anforderungen, von der Rationalität versklaven lassen will. Er will nicht nur zu einer funktionierenden Maschine werden“. Professor Wiesing zitiert dann Friedrich Schiller, der gesagt hat, dass der Mensch, der sich allein von den Zwängen der Vernunft leiten lasse, ein Barbar sei.

Luxus ermöglicht fruchtbare Augenblicke

Lambert Wiesing beschreibt dann weiter, wie eine Luxuserfahrung für den Menschen ein "fruchtbarer Augenblick“ werden kann, eine Selbsterfahrung, die den Menschen von allen Anforderungen der Vernunftwelt befreit. "Der entscheidende Punkt beim Luxus ist aber,“ erklärt der Philosophieprofessor, "dass uns vorher bewusst ist, wie unvernünftig groß der Aufwand ist, den wir für die Herstellung einer Sache betreiben. Jemand legt sich zum Beispiel einen aufwendigen Orchideengarten zu, dabei muss er sich mit Orchideen auskennen, um diesen übertriebenen Aufwand betreiben und einordnen zu können – um dann auch den Orchiedeengarten als echten Luxus für sich genießen zu können“. Luxus setzt also immer eine Kennerschaft voraus. Der Käufer einer Venyl Schallplatte weiß, dass er die Musik auch preisgünstiger bekommen kann, er verhält sich also unvernünftig. Er gönnt sich aber den Luxus, weil er sich mit Venyl Schallplatten auskennt und den ganz besonderen Klang der Platte liebt – oder auch nur das Ritual des Abspielens auf dem alten Plattenspieler.

Luxuserfahrung und Gebet

Luxuserfahrungen, das sagt Lampert Wiesing auch, sind verwandt mit Erfahrungen, die wir beim Gebet machen. "Die Erfahrung, dass Menschen zu sich selbst Stellung nehmen, kann man auf verschiedenen Wegen machen", sagt er, "auch im Gebet, beim Spielen oder beim Müßiggang. Da gibt es Verwandtschaften. Die Luxuserfahrung hat dabei das Alleinstellungsmerkmal, dass sie den übertriebenen Aufwand bei Dingen, die wir besitzen, beschreibt. So ist es unvernünftig, sich eine Schallplatte zu kaufen, wenn ich die Musik auch billiger bekommen kann, trotzdem kaufe ich die Schallplatte – das ist Luxus, eine Selbsterfahrung durch Trotz, keine Selbstdarstellung durch Protz“.