Peter Honnen über sein Wörterbuch der Sprache an Rhein und Ruhr

`Wo kommt dat her?´

Kühmen, betuppen, frickeln oder Pänz. Das sind Wörter aus der rheinischen Alltagssprache, die viele Menschen aus anderen Teilen Deutschlands ratlos zurücklassen. Antworten gibt jetzt das erste umfangreiche Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr. "Wo kommt dat her", so heißt das Buch des Sprachwissenschaftlers Peter Honnen.

Peter Honnen / © Silvia Reimann (Greven)
Peter Honnen / © Silvia Reimann ( Greven )

"´Pänz´ kommt vom lateinischen ´Pantex´, das heißt Magen oder Bauch, wo auch das Wort Pansen abgeleitet ist", erklärt Peter Honnen, "wir glauben, dass das damit zu tun hat, dass das Kind aus dem Mutterbauch herauskommt". So haben die alten Römer in Köln viele Spuren hinterlassen, die bis heute in aller rheinischen Munde sind, erzählt der Sprachwissenschaftler im LVR- Insitut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn. Wie auch das Wort ´Pips´ für Schnupfen von Lateinisch ´Pituita´ stamme. Im alten Rom sei das eine Geflügelkrankheit gewesen, die den Schnabel befallen habe. "Das Wort ´Pips´ war früher viel weiter verbreitet als heute", sagt Honnen, "das war das klassische Wort für den Schnupfen. Erst im 15. Jahrhundert ist das Wort ´Pips´ durch den Schnupfen abgelöst worden. Ein Wort, das viel langweiliger ist". Das Wort ´Pips´ ist bis heute auch in Spanien und England bekannt, und die Holländer haben den ´Pips´ sogar in ihrer Hochsprache.

´Mauern´beim Skat kommt von ´mora´ und heißt Angst

Viele Spuren der alten Römer finden sich bis heute in der rheinischen Sprache. Und sprachgeschichtlich ging es dann immer weiter. Wer war nicht alles im Rheinland und hat dann auch Spuren in der Sprache hinterlassen. Nach den Römern kamen die Franken und die Sachsen am Niederrhein und im Ruhrgebiet. "Die haben natürlich viele Spuren hinterlassen", weiß Honnen, "die alten rheinischen Dialekte gehen natürlich auf das fränkische zurück. ´Kühmen´ ist so ein altes Wort, das aus dem 7. Jahrhundert stammt". ´Kühmen´ stammt von ´Kumian´ und hieß damals beklagen.

Ganz wichtig für die rheinische Sprache ist das Jiddische. So kommen zum Beispiel die Wörter ´Knast´ und ´Klamotten´ daher. "Wir hatten in Köln die größte jüdische Kolonie überhaupt nördlich der Alpen", erzählt Honnen, "das hat alles Spuren hinterlassen. Vor allem auf dem Land, weil nachdem viele Juden aus den Städten vertrieben worden sind, haben sie sich auf dem Land angesiedelt und wurden ´Landjuden´ genannt. Als Metzger oder Viehhändler sind sie dann mit allen Bauern in Kontakt gewesen. Deshalb gibt es auf den Dörfern in den Mundarten viele jüdische Wörter". Das sind oft auch Wörter, denen man ihre Herkunft gar nicht anmerkt. Ein Beispiel ist das Wort ´mauern´. Man mauert beim Skat-Spielen. Das Wort kommt aus dem Jiddischen. "Mauern geht auf das jiddische Wort ´mora´ zurück und das heißt Angst", hat Honnen herausgefunden, "jemand, der mauert, der hat Angst, mit seinen Karten zu spielen und deshalb ist er ja auch so unbeliebt, der spielt nicht mit seinen guten Karten".

Das ´Schabellchen´ ist 2000 Jahre alt

An der Sprache läßt sich die Geschichte eines Landes ablesen. So erklärt sich auch die große Verwandtschaft des Rheinischen mit dem Niederländischen. Die Metropole Köln hatte enge Handelsbeziehungen mit dem flandrischen und brabantischen Wirtschaftsraum Ein Beispiel dafür: "Das Wort ´knöttern ´für meckern stammt aus dem Niederländischen. Dort heißt es ´knötteren´. Dieses Wort findet man schon im 13. Jahrhundert in alten Hanseakten", sagt der Sprachwissenschaftler. Aber dann gibt es auch Wörter, die Peter Honnen ratlos machen, weil er nicht herausfinden konnte, woher sie stammen. ´Oschi´ zum Beispiel könnte ganz einfach frei erfunden sein. "Daran sieht man eine sehr schöne Eigenschaft der Umgangssprache, die auch neue Wörter erfindet", schwärmt er, "wenn die Umgangssprache nicht wäre, dann wäre die Hochsprache viel langweiliger. Ich wage mal die Prognose, dass der ´Oschi´ in zwanzig Jahren im Duden steht". So bleibt und wird Geschichte durch Sprache sehr lebendig. Dazu zum Schluss noch ein Lieblingsbeispiel von Sprachforscher Honnen. "Man sagt zu einem kleinen Fußbänkchen ´Schabellchen´. Das Wort kann man wortgetreu im Lateinischen wiederfinden, dort heißt es ´scabellum´. Zweitausend Jahre lang ist dieses Wort also von Mund zu Mund gegangen. Das gibt es bei anderen historischen Quellen nicht, die sind alle vergangen oder untergegangen. Das ´Schabellchen´ hingegen ist eine lebendige Quelle, die 2000 Jahre alt ist. Das ist doch verrückt".


Quelle:
DR