Mirko Bonné über seinen Roman "Lichter als der Tag"

Jeder Mensch ist zur Erleuchtung berufen

Aus der Sonette ´Über die Geburt Jesu´ von Andreas Gryphius stammt der Buchtitel ´Lichter als der Tag´. Der Autor Mirko Bonné macht das Licht zu einem zentralen Thema in seinem neuen Roman.

Mirko Bonné / © Schöffling & Co.
Mirko Bonné / © Schöffling & Co.

"Niemand kann uns verwehren, dass wir suchen, was uns wirklich sein läßt", schreibt Bonné in seinem Roman. Seine Helden suchen nach dem wirklichen Leben – nach dem Licht in der Nacht, nach dem Stern, dem sie folgen können und der die reale Welt erleuchten kann. Der Romanheld Raimund Merz lebt so vor sich hin. "Er tut das Beste, was er in seinem abgestumpften Dasein und lieblosen Leben machen kann", beschreibt Bonné ihn. "Er arbeitet in der Redaktion einer Zeitung und fragt sich die ganze Zeit im Grunde genommen, was mache ich hier?" Raimund Merz fühlt sich leblos und matt, bis er durch Zufall Inger wiedersieht – aus der Ferne sieht er sie. Inger ist seine große Jugendliebe und auf einmal beginnen all seine Verkrustungen wegzuplatzen. "Plötzlich sieht er sich seinen Erinnerungen gegenüber und merkt, wie wenig sich an seinen Empfindungen für Inger eigentlich geändert hat", sagt Bonné, "und er geht auf die Spurensuche, er will herausfinden, warum das so ist".

Das Licht der Kindheit, ein warmes volles Licht

Der Roman erzählt von dieser Spurensuche, von vier jungen Menschen, die eine wilde, verrückte Liebeszeit erleben. Raimund liebt Inger, aber Inger kann seine Liebe nicht erwidern, weil sie nach dem frühen tragischen Unfalltod ihrer Eltern jeden Glauben an die Liebe, an die Gültigkeit des Lebens verloren hat. "Ich nenne das im Roman zwar nicht so, aber sie macht das dem Schöpfer zum Vorwurf und dadurch blockiert sie sich natürlich selbst", sagt der Autor. Raimund sucht die Nähe seiner Jugendliebe. Er steigt aus seinem Leben aus und stößt zunächst und durch Zufall auf ein impressionistisches Gemälde, das ihn ungeheuer beeindruckt und erschüttert, weil das Gemälde ihn empfinden läßt, was er auch in der Nähe Ingers empfunden hat. Für ihn ist das wie eine Erleuchtung, denn in dem Bild erkennt er "dasselbe Licht, wie das Licht seiner Kindheit, das Licht über der Feldmark östlich von Hamburg, ein warmes volles Licht, was ihm natürlich auch Inger immer wieder zurückbringt", beschreibt Mirko Bonné diese Erfahrung seines Romanhelden.

Was läßt uns wirklich sein?

Wie lebendig Kunst, hier ein Gemälde, werden kann, auch davon erzählt der Roman. Raimund Merz folgt dem Licht, er folgt seinem Stern, seiner Jugendliebe Inger. Und dann wird es dramatisch. Der Romanheld entführt seine Tochter, er fährt mit ihr nach Frankreich, und er stiehlt das impressionistische Gemälde ´Weizenfeld im Morvan´ von Camille Corots, dem er sich so nah fühlt. "Er will dieses Gemälde jetzt nicht verkaufen", erzählt Bonné, "sondern er will es dorthin zurückbringen, wo es entstanden ist, wo Camille Corots es gemalt hat, nämlich im Burgund. Dort fährt er hin, und er sucht dieses Feld, er findet diesen Waldrand und sieht in diesem Moment, dass Inger dort ist mit seinem besten Freund – und die beiden sehen genauso aus wie die Gestalten auf dem Gemälde. Es ist eine Art Parallele, die ich aufbaue und dann geht er nicht in dieses Bild hinein, sondern er geht in das hinein, was er sieht, und das sieht genauso aus wie das Bild". So verschmilzt die ersehnte Wirklichkeit des Romanhelden Raimund Merz mit der Realität, denn seine Jugendliebe Inger und sein bester Freund Bruno suchen ihn in Frankreich und treffen ihn dort.

´Nacht / lichter als der Tag´

Mirko Bonné hat einen auch magischen Roman geschrieben – über das Verhältnis von Wirklichkeit und Realität. ´Lichter als der Tag´, so hat er sein Buch genannt. In der Gedichtzeile von Andreas Gryphius heißt es ´Nacht / lichter als der Tag´. "Dieses Gedicht ist eine Preisung des Herrn", sagt Bonné, "der Geburt Jesu. Durch diese Erscheinung wird die Wirklichkeit aufgefüllt und kann sich vollkommen umdrehen, das heißt, es spielt überhaupt gar keine Rolle, welche Tageszeit es ist, es ist einfach so licht in diesem Moment, daß wir es erfahren".