Martin Walser über Hostien, seine katholische Kindheit, Karl Barth und den Rücktritt des Papstes.

"Ich bin halt ein blühendes Grab. Basta"

Martin Walser ist Jahrgang 1927 und damit genauso alt wie der emeritierte Papst Benedikt. Im domradio.de Interview spricht er über den Rücktritt des Papstes und sein neues Buch.

Martin Walser "Meßmers Momente" / © Philippe Matsas Opale
Martin Walser "Meßmers Momente" / © Philippe Matsas Opale

"Ich finde es wunderbar, wie das passierte. Es hat mich tief beeindruckt, dass jemand sein eigenes Schicksal in die Hand nimmt, und sei er Papst, und sagt, jetzt gehe ich. Ich fand es enorm, dass er nicht durchgezittert hat bis zum Ende. Das war eine reine, schöne Entscheidung", sagt Walser.

In seinem neuen Buch: „Meßmers Momente“ geht es auch um die Seele, den Sinn und die Sehnsucht. "Meine Lippen sehnen sich / nach einer Hostie /  mit der die Welt zergeht", schreibt Walser und sagt: "Das ist ein Urerlebnis aus der Kindheit. Die Hostie hatte eine unheimliche Strahlkraft und eine bannende Bedeutung, und so etwas wirkt als Bild nach“. Martin Walser ist katholisch. Er sagt aber auch von sich, er sei „ein katholischer Krüppel“. Seine Mutter habe ihm eine katholische Angst-Religion vermittelt: "Selbst am Ende hat ihre Angst nicht nach gelassen. Mein Eindruck ist, dass ihre Angst unbesiegbar blieb. Ich hatte gedacht, sie könnte ein bisschen ruhiger aufhören". 

Dann schwärmt Walser aber auch über den Pfarrer seiner Kindheit, der seine Beziehung zur Liturgie geprägt hat: "Dieser Pfarrer war schüchtern, der war überhaupt nicht auftretkräftig, er war kein toller Prediger, aber der war die richtige Liturgie, der war so in sich versunken, dass man gedacht hat, da findet die Wandlung wirklich statt. Und deswegen ist er für mich ewig der richtige Pfarrer geblieben, der sich nicht, wie das heute üblich ist, dem Publikum zuwendet und alles macht, dass es so eine halbe Talkshow wird".  

Gott fehlt ihm

Martin Walser hat immer wieder betont, dass ihm Gott fehlt, er sagt: "Mithilfe des mächtigen Wortgebers Karl Barth wurde mir mein Mangel buchstabierbar. Karl Barth hat mich auch ermutigt, weil er den Glaubensvorgang als Prozess und nicht als Formel erlebbar macht. Er hat mich ermutigt, meine eigenen Bewegungen nachhallen zu lassen“. In "Meßmers Momente" schreibt Walser: "Viele Bäume wachsen in meinem Kopf, / die in der Welt nicht mehr wachsen. / Ausgestorbenes ist in mir zu Haus. / Ich bin ein blühendes Grab". Im domradio.de Interview ergänzt Walser: "Auch Gräber können noch von etwas kund tun, auch ein Grab ist nichts stilles, sondern ich bin halt ein blühendes Grab. Basta".