Markus Orths über sein Buch "MAX. Sechs Frauen, sechs Lieben, ein Jahrhundert"

Auf der Suche nach der Wahrheit hinter der sichtbaren Welt

„Der Verrücktheit der Welt – unsere eigene Verrücktheit entgegensetzen“, das wollten die Künstler der Dada-Bewegung um Max Ernst. Der Autor Markus Orths hat über den verrückten Künstler in der verrückten Welt, über Max Ernst, einen Roman geschrieben. „MAX. Sechs Frauen, sechs Lieben, ein Jahrhundert“, heißt das Buch.

Markus Orths / © Yves Noir (Hanser)
Markus Orths / © Yves Noir ( Hanser )

"Max Ernst war immer einer, der auch das Andere und das Fremde sehr geschätzt hat und versucht hat, es nicht auszugrenzen, sondern sehr neugierig war", beschreibt Markus Orths seine Faszination für Max Ernst, der einer der ganz großen Künstler des 20. Jahrhunderts war. "Das sind sehr viele Dinge, die mich an ihm begeistert haben", schwärmt Orths, "seine gesellschaftlich politische Haltung als Antifaschist, das Rebellische, seine Kunst, immer der Versuch Neues zu schaffen, Neues auszuprobieren, sich nicht auszuruhen. Dann vor allen Dingen natürlich die Menschen, denen er in seinem Leben begegnet ist und die ihn erst zu dem Max gemacht haben, der er dann wurde".Es waren nicht nur andere große Künstler, wie Hans Arp oder Paul Éluard, die Max Ernst geprägt haben, sondern auch die Frauen, mit denen er zusammen war. Und so strukturiert Markus Orths seine Max Ernst Biografie auch in sechs Kapitel, benannt nach den sechs wichtigsten Frauen im Leben des Künstlers. "Und so musste ich nicht mehr 570 Seiten auf der Schulter von Max Ernst hocken, sondern konnte ihn auch aus anderen Blickwinkeln schildern", erzählt Orths.

Erschütternd: Schon vor hundert Jahren gab es eine "Obergrenze"

Luise Straus-Ernst heißt die erste Frau im Leben von Max Ernst, eine Kölnerin, eine Jüdin, auch deren Leben erzählt Markus Orths. Luise Straus-Ernst war prominent, sie war eine bekannte Journalistin und Kunsthistorikerin und schrieb unter anderem für den damaligen Kölner Oberbürgermeister Adenauer Reden. In Köln erlebte Luise Straus-Ernst schon früh Antisemitismus und Verfolgung. "Auch Kölner haben gesagt, wir wollen die Juden nicht, wir wollen, dass die wieder weggehen", hat Markus Orths aus Zeitdokumenten recherchiert, "das erinnert unglaublich stark an die Pegida Bewegung, die sagt, wir wollen diese Leute hier nicht haben. Und das gleicht sich bis in die Prozentzahlen, also es lebten nur zwei Prozent Juden in Köln, also ganz, ganz wenig – und wir sprechen jetzt auch von vier Prozent Ausländern, das heißt, diese irrationale Angst der Menschen gab es schon vor einhundert Jahren, nur dann eben auf eine andere Gruppe gerichtet. Das ist erschütternd, wenn man sich das so vor Augen führt", sagt Orths. Als dann die Nazis begannen, die Juden systematisch zu verfolgen, wollte Luise Straus-Ernst in die USA fliehen, aber sie bekam kein Visum und wurde nach Auschwitz verschleppt und ermordet. "Wenn dann in der damaligen Zeit Worte wie Obergrenze auftauchen und die Amerikaner die Grenzen dicht machen, dann zuckt man natürlich zusammen, weil es so aktuell ist", sagt der Autor Markus Orths.

Eine besondere Beziehung zur Sinnlichkeit

So erzählt Markus Orths mit der Biografie von Max Ernst und seinem Umfeld auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts – mit Kriegen, Flucht und Verfolgung. Der Künstler Max Ernst bleibt da immer der Suchende, der stets darauf drängt, einen Schritt weiter zu gehen. Visionen und Fantasien begeistern ihn, alles, was über die Vernunft und das äußerlich Wahrnehmbare hinausgeht. Max Ernst ist fasziniert von Sinnlichkeit und opulenter Bildsprache und das, so vermutet Markus Orths, könnte auch damit zu tun haben, dass der Künstler katholisch aufgewachsen ist. "Das ist doch ganz klar, dass die katholische Erziehung über 16, 18 Jahre nicht spurlos verschwinden kann, sich nicht auswischen läßt und das findet sich natürlich in den Motiven des Künstlers Max Ernst wieder und auch in seiner besonderen Beziehung zur Sinnlichkeit, die ja auch in der katholischen Kirche zu finden ist, die immer alle Sinne anspricht". Im domradio.de Gespräch erzählt der Autor Markus Orths auch über die besondere Beziehung, die Max Ernst zu seinem Vater hatte – und was das mit der Vatererfahrung des Autors zu tun hat, und er verrät uns, dass er, der ehemalige Messdiener, in seiner Jugend Priester werden wollte, dann aber Schriftsteller, auch "eine Art Priester", geworden ist.