Karen Duve über ihren Roman "Macht“

Die gefährliche Attraktivität radikaler Positionen

„Religionen, die einfache Wahrheiten anbieten, werden immer attraktiver“, sagt Karen Duve im domradio.de Interview. In ihrem Buch "Macht“ beschreibt sie eine Zukunftswelt, in der sich extreme Positionen und Parteien durchgesetzt haben und gewalttätig bekämpfen.

Karen Duve / © Thomas Müller
Karen Duve / © Thomas Müller

Deutschland im Jahre 2031. Die Situation ist bedrohlich, extreme Gruppen fallen übereinander her, religiöse Fanatiker und rechtsradikale Schläger, Machobanden. Karen Duve schildert eine Welt, die uns heute bedrohlich nah erscheint. "Das erschreckt mich sehr,“ sagt sie, "ich hatte gar nicht die Absicht, einen Zukunftsentwurf so nahe an der Realität zu schreiben, und das es jetzt so aussieht, als ob es so kommen könnte, bestürzt mich sehr.“ Radikale Parteien wie die AFD haben immer mehr Zulauf. Duve lebt in der Mark Brandenburg. Sie kennt die AFD-Milieus und die Frustration der Menschen dort. "Perspektivlosigkeit ist immer ein großer Grund, dass die Menschen für sich innerhalb der Gesellschaft keine Möglichkeit sehen, eine bestimmte Bedeutung oder Wertschätzung zu erhalten“ sagt Duve, "und deshalb fordern diese Menschen, die ganze Gesellschaft müsse sich ändern, damit ich wieder meinen Platz darin finde“.

Die "Macht“ der Männer über Frauen

In ihrem Buch erzählt Karen Duve auch die Geschichte des Romanhelden Sebastian Bürger, der sich von seiner emanzipierten Frau gedemütigt fühlt. Als die prominente Politikerin ihn auch noch verlassen will, sperrt er sie in den Keller ein, meldet sie als vermisst und hält sie als seine Gefangene und Sklavin. "Dabei geht es um Kontrolle, jemanden zu kontrollieren, so dass derjenige machen muss, was man will“, sagt Duve und hält ihren geschilderten Fall für gar nicht so abwegig: "Das kennen wir doch aus arabischen Kulturen, wo Männer ihren Frauen verbieten, auf die Straße zu gehen. Wenn sie das Haus verlassen, hängen die Männer ihnen Bettlaken über, weil niemand die Frau sehen soll“. Wenn jemand so etwas in unserer Gesellschaft machen würde, dann sei das ein Fall für den Psychologen, wenn das aber eine ganze Gesellschaft mache und das religiös und traditionell begründet werde, dann heiße es auf einmal, da müsse man Zugeständnisse machen. In ihrem Roman geht es auch um gewalttätige Männer, die einmal losgelassen, alle moralischen Grenzen überschreiten.

Freiheitliche Grundwerte sind in Gefahr

Die großen christlichen Religionen helfen in Duves Zukunftsszenario auch nicht mehr. "Extreme Gruppen, die sich abspalten, werden immer mehr“, sagt Duve, "so dass gleichzeitig die großen Religionen sehr viele Gläubige verlieren“. Sie vermutet, dass dann die großen, liberalen Religionen anfangen, zunehmend radikale Gruppen aufzunehmen, um überhaupt noch funktionieren zu können. "Damit werden  - in den Religionen aber auch in den Parteien - radikale Positionen immer stärker“, so beschreibt die Autorin mögliche Entwicklungen in der Gesellschaft. Ihr Buch "Macht“ ist auch ein großer moralischer Appell – für unsere humanistischen Werte. "Wir müssen uns klar werden, dass unsere Werte heute nicht so selbstverständlich sind, wie sie uns vorkommen. Wir haben eine Art Gleichberechtigung, wir haben eine liberale Gesellschaft, aber das alles gibt es erst seit einigen Jahrzehnten und kann schnell wieder über den Haufen geworfen werden“.